Fraiß, die

[263] Die Fraiß, oder die Fraisch, plur. inus. ein nur im Oberdeutschen bekanntes Wort. 1) Schrecken, Furcht, Schmerzen, Gefahr. Sina freisun, seine Schmerzen, Ottfr. An andern Orten gebraucht er Freisu für Gefahr. Im Holländ. und Nieders. ist Vreese, und im Fries. Freyse, gleichfalls Furcht, und vresen fürchten; wohin auch das Franz. affreux und Engl. afraid, fürchterlich, furchtsam, gehören. 2) Die fallende Sucht, die Epilepsie, welche in andern Gegenden auch das Fraiß, das Fraischel lautet. 3) Die Gerichtsbarkeit über Leben und Tod, der Blutbann, die Obergerichte, welche auch die Fraißzent und das Fraischrecht heißt; ingleichen das Gebieth, in welchem man solche besitzet. Daher das Fraißamt, oder Fraischamt, das Gericht, welches den Blutbann ausübet; das Fraißbuch oder Fraischbuch, das Protokoll über Halssachen; der Fraißfall oder Fraischfall, ein Fall, welcher unter die obere Gerichtsbarkeit gehöret, ein Zentfall, Malefizfall, ein Criminal-Verbrechen; der Fraißherr oder Fraischherr, der die Crmininal-Gerichte hat; das Fraißgericht, das Criminal-Gericht; das Fraißpfand oder Fraischpfand, ein Pfand, welches das Fraißgericht als ein Zeichen des begangenen Verbrechens entweder von dem Getödteten oder von dem Eigenthume des flüchtigen Thäters nimmt; die[263] Fraißzent, an einigen Orten, diejenige Zent, welche die criminelle Gerichtsbarkeit ausübet; zum Unterschiede von der obern und Mittelzent; S. Zent.

Anm. Dieses im Hochdeutschen veraltete Wort stammet ohne Zweifel von frieren ab, welches in einigen Mundarten friesen lautet, und bedeutete anfänglich Frost, Schauer, und nach einer gewöhnlichen Figur, Furcht, Schrecken, Gefahr u.s.f. Siehe Frieren, Frisch und Frost. Im Schwed. ist fraesa und im Griech. φρυασσομαι mit den Zähnen knirschen, im Isländ. aber Freis Eiter, und freisa aufsieden.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 263-264.
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