Geil

[507] Geil, -er, -ste, adj. et adv. 1. Eigentlich, fett, von dem Fleische der Thiere; in welchem Verstande es nur noch im gemeinen Leben von einem ekelhaften, widrigen Geschmacke und Geruche des Fettes üblich ist. Das Fleisch, das Fett schmeckt zu geil. 2. Figürlich. 1) Von dem Erdboden, wenn er überflüssigen Dünger hat, ingleichen von Gewächsen, wenn sie zu vielen Nahrungssaft haben, und daher zu schnell wachsen, oder überflüssige Blätter und Zweige treiben. Ein geiler Boden, der sehr stark treibt. Die Saat wächst zu geil, zu schnell und zu dick. Die Bäume wachsen zu geil, wenn sie zu viele Blätter und Zweige treiben. Geile Flecke im Getreide, welche sich durch ihren starken und dicken Wuchs von der andern Saat unterscheiden; in Meißen Mastflecke, in andern Gegenden Geilhorste. In weiterer Bedeutung in einigen Gegenden auch überhaupt für fruchtbar, tragbar. Die alten Felder aufreißen und zu geilem Felde machen, in Obersachsen. S. 2 Geile. 2) Von einem[507] ekelhaft süßen Geruche und Geschmacke, im gemeinen Leben. Geil schmecken, widrig süß. 3) Von verschiedenen Beschaffenheiten des Gemüthes, welche ihren Grund zunächst in einer überflüssigen Nahrung des Körpers haben. (a) * Munter, im guten Verstande; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung.


Seiner Ritter ein teil

Mit dem er vollte wesin geil

Und an Wirthschaft goiden,


mit denen er wollte fröhlich seyn, und sich beym Schmause erfreuen, Jeroschin, ein Schriftsteller des 14ten Jahrhunderts bey dem Frisch.


– Die sitsamen Geberden

Die geile Höflichkeit, der abgeführte Sinn,

Und was mich sonsten hielt, ist alles mit ihr hin,


sagt Opitz von seiner Sylvia. Im Franz. bedeutete Gale ehedem Freude, Fröhlichkeit, und Galoise ein muntres, lustiges Mädchen, im Griech. αγαλλεισωvor Freude springen. (b) * Muthig, kühn, auch im guten Verstande, in welchem es aber gleichfalls veraltet ist.


Der Held – stach das thier geyl

Mit seinem perenspieß zu todt,

Theuerd.


Darumb macht er sich auf die Fart

Zu versuchen sein glück und heyl

An Herr Tewrdank dem Jüngling geyl,

Theuerd. ebend. Kap. 5.


(c) * Muthwillig, üppig, ausgelassen, übermuthig, in welchem Verstande es noch hin und wieder in den niedrigen Sprecharten gehöret wird. Da er aber fett und satt ward, ward er geil, 5 Mos. 32, 15; aber Israel ward fett und schlug aus, nach Michaelis Übersetzung. Ich bin auch gezüchtiget, wie ein geil Kalb, Jer. 31, 18. Darum, daß ihr – lecket, wie die geilen Kälber, Kap. 50, 11. (d) * Stolz, eine veraltete Bedeutung. In diesem Verstande kommt keil schon bey dem Kero vor, und Isidors Übersetzer gebraucht das Hauptwort Geili für Stolz, Hochmuth. Im Griech. ist αγαλλομαιmit etwas prahlen, stolz auf etwas seyn.


Du soltest an mir wesen geil,

Chriemh. Str. 262.


So geil was ie

Mins herzen sin u.s.f.

Burkh. von Hohenfels.


(e) Reitzungen zum unrechtmäßigen Beyschlafe suchend und unterhaltend; ein harter Ausdruck, der so widrig ist als die Sache selbst, daher man ihn auch nur gebraucht, wenn man von dieser Gemüthsverfassung mit Nachdruck zu reden genöthiget ist. Ein geiles Weib. Ingleichen was diese Gemüthsart verräth, und befördert. Geile Schriften, ein geiles Lied, ein geiles Betragen. Holländ. gheil und ghyl, Dän. geil, Angels. gal, Schwed. gael, in Bretagne mit dem eingeschalteten d gadal, im mittlern Lat. gadalis. 4) * Überfluß an etwas habend; ein veralteter Gebrauch.


Wilt du so wirde ich an steten froiden geil,

Graf Conr. von Kilchberg.


Anm. So fern dieses Wort eigentlich fett bedeutet, gehöret es allem Ansehen nach zu dem Worte gelb, Nieders. gäl, weil doch das mehreste Fett eine weißgelbliche Farbe hat; zumahl da geil am häufigsten von verdorbenem Fette gebraucht wird, welches noch mehr in das Gelbe fällt. Schon im Hebr. war חלב das Fett, ingleichen Milch, im Griech. ist αλειφαρ und αλοιφƞ Öhl, Schmer, γαλαdie Milch, und bey den ältesten Galliern bedeutete galba fett, wohl gemästet. Im Albanischen ist Gialpa Butter. S. Gelb.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 507-508.
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507 | 508
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