Gelangen

[522] Gelangen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert. 1. * Eigentlich, an etwas langen, d.i. reichen, sich bis dahin erstrecken, mit dem Vorworte an; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Daß dieselbe Grenze – gelange am Dorf Adar, (an das Dorf,) 4 Mos. 34, 4. Wenn große Wasserfluthen kommen, werden sie nicht an dieselbigen gelangen, Ps. 32, 6. 2. Figürlich. 1) An einem Orte gegenwärtig werden, daselbst ankommen, mit den Vorwörtern an und zu. Stehet still bis wir an euch gelangen, 1 Sam. 14, 19. Am häufigsten von der Ankunft aus einem entfernten Orte. An einen Ort gelangen, zu demselben gelangen. Im Hochdeutschen wird es auch in dieser Bedeutung nur selten gebraucht, weil in den meisten Fällen anlangen üblicher ist. 2) Eine Bitte an jemanden gelangen lassen, sie vor ihm, an ihn bringen; eine den Kanzelleyen sehr geläufige Redensart. Darum gelanget an Ew. Majestät unsere bemüthigste Bitte u.s.f. Wird aber euch eine Sache zu hart seyn, die lasset an mich gelangen, 5 Mos. 1, 17, traget sie mir vor, bringet sie an mich. Ihrer drey ließen den Handel vor ihn (den König) gelangen, daß er darin sollte Urtheil sprechen, 1 Macc. 4, 44. 3) Jemandes Eigenthum werden; am häufigsten im Oberdeutschen. Im Halljahr soll er (der Acker) wieder gelangen an denselben, von dem er ihn gekauft hat, 3 Mos. 27, 24. 4) Durch Bemühung erhalten, erlangen, mit dem Vorworte zu, in welcher Bedeutung es im Hochdeutschen am üblichsten ist. Zu seinem Ziele, zu seinem Zwecke gelangen. Zu einer Würde, zu einem Amte gelangen. Hier gelangen wir dazu nicht. Durch die Länge der Zeit zu einer großen Erfahrung gelangen. Zur Erkenntniß Gottes, zu tugendhaften Empfindungen des Herzens gegen Gott gelangen. Auch ohne den Nebenbegriff der Bemühung. Zur Reife gelangen, reif werden. So auch die Gelangung.

Anm. Schon Ottfried gebraucht gilangon für erlangen. Es ist das durch den Oberdeutschen Hauchlaut ge verlängerte Zeitwort langen, welches in mehrern Zusammensetzungen für kommen gebraucht wird. Luther gebraucht es 2 Cor. 10, 14 mit dem Hülfsworte haben, welches aber wider den Hochdeutschen Sprachgebrauch ist.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 522.
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