Gewähr, die

[648] Die Gewähr, plur. die -en. 1. Bewährung, Versicherung, vornehmlich in folgenden Fällen. 1) Bescheinigung der Wahrheit einer Sache, ein Zeugniß. In diesem Verstande kommt es nur noch im Bergbaue vor, wo die Gewähr ein schriftliches Zeugniß ist, welches ein Gewerke von dem Gegenschreiber über seine Antheile erhält; der Gewährschein. S. auch Abgewähren und Zugewähren. In der Preuß. Kammer-Ordnung von 1648 bey dem Frisch ist der Gewährzettul ein Zettel, in welchem der Küchenmeister dem Fischmeister die an den Hof gelieferten Fische bescheiniget. 2) Sicherheit in Ansehung der Wahrheit einer versicherten oder erzählten Sache, Vertretung des andern im Falle der bestrittenen Wahrheit einer Sache. Wer leistet mir die Gewähr für das, was du mir sagst? Sie können es sicher wieder erzählen, ich leiste ihnen die Gewähr dafür.


Wahrheit, Zeuginn meiner Triebe,

Leiste selber die Gewähr,

Haged.


S. Gewährmann. 3) In den Rechten, die Gewähr angeloben oder leisten, angeloben oder sich verbindlich machen, daß man seine Klage fortsetzen wolle, für die Fortsetzung der Klage die nöthige Sicherheit stellen; im mittlern Latein. Guaranda. 4) Sicherheit in Ansehung des ruhigen Besitzes einer verkauften oder einem andern übertragenen Sache; Evictio, Warandia, Guarandia, Franz. Guarantie, Angels. Waere, Ware, Engl. Warrant, Gewährschaft, Währschaft, Währ; daher der Verkäufer, der diese Gewähr zu leisten verbunden ist, ehedem auch der Gewährer, Nieders. Wahren, Wahrent, genannt wurde. Dem Verkäufer die Gewähr leisten, diese Sicherheit so wohl angeloben, als auch im nöthigen Falle wirklich verschaffen. Die Gewähr eines Gutes übernehmen.

2. Der Besitz einer Sache, so wohl der ruhige, ungestörte Besitz, als auch ein jeder Besitz überhaupt, Nieders. Were, Ware, in welcher Bedeutung es doch größten Theils veraltet ist. In[648] der Verbindung der Könige Ludwigs und Lothars von 840 kommt Geuueri schon von der Investitur, der Übertragung des Besitzes vor.


Ich wil die vil guoten vlehen

Vmb ein ding das ich doch han

In gewalt und in gewer,

Burkh. von Hohenfels.


In dem Schwabensp. handelt das ganze 214 Kap von der Geuuer, von dem Besitze. Etwas in seine Gewähr nehmen, in seine Verwahrung, kommt noch in der gerichtlichen Schreibart vor. Etwas in seiner Gewähr haben, in seiner Gewalt, im Besitze. Den Käufer in die Gewähr des erkauften Gutes setzen. Daher heißt in den Rechten auch jemanden entwähren, ihn durch richterliche Gewalt aus dem Besitze einer Sache setzen. und die Entwährschaft, diese Handlung selbst.

Anm. In der ganzen ersten Bedeutung scheinet dieses Wort unmittelbar von wahr, verus, abzustammen, weil dessen Hauptbegriff in einer feyerlichen Versicherung oder Bewährung bestehet. Ottfried gebraucht giuuaro sehr oft für wahr, gewiß, und in dem alten Bremischen Stadtrechte ist waren nicht nur die Gewähr leisten, sondern auch schwören; woraus zugleich die Abstammung des Wortes schwören erhellet. So fern es aber den Besitz bedeutet, gehöret es zunächst zu bewahren und verwahren und mit denselben zu dem Zeitworte wahren, sehen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 648-649.
Lizenz:
Faksimiles:
648 | 649
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika