Gewohnen

[672] Gewohnen, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, Fertigkeit zu Empfindungen oder Handlungen Einer Art, ohne Bewußtseyn der Bestimmungsgründe bekommen, welches durch Nachahmung, mehrmahlige Wiederhohlung oder Erwartung ähnlicher Fälle geschiehet. Ich kann es an diesem Orte, in diesem Hause nicht gewohnen. Sprichw. Jung gewohnt, alt gethan. Im Hochdeutschen häufig mit der vierten Endung[672] der Sache. Das Soldatenleben gewohnen. Man gewohnt endlich alles.


Die man die süßen Herren nennt,

Und die das Denken nie gewohnen,

Gell.


Man führt es (das Füllen) streichelnd auf und nieder,

Daß es den Zwang gewohnen soll,

Gell.


Im Oberdeutschen aber und der höhern Schreibart der Hochdeutschen, mit der zweyten. Der Arbeit, der Hitze, der Kälte gewohnen. Daß du nicht gewohnest der Narrheit, Sir. 23, 19. Man gewohnt der guten Tage eher als der bösen. Indessen ist statt dieses Zeitwortes das Mittelwort gewohnt mit den Zeirwörtern seyn und werden im Hochdeutschen beynahe üblicher, besonders anstatt der zusammen gesetzten Zeiten des Verbi gewohnen, wo es oft auch in weiterer Bedeutung von Dingen gebraucht wird, die man mehrmahls gethan und empfunden. hat. Ich bin gewohnt, mit ehrlichen Leuten umzugehen. Er ist gewohnt früh aufzustehen. Wir sind nicht gewohnt, so spät zu essen. Ingleichen mit der vierten Endung. Das bin ich an ihm schon gewohnt. Man wird es leicht gewohnt. Man wird alles gewohnt. Noch mehr mit der zweyten. Des Unglückes, der Arbeit gewohnt seyn. Ich bin dessen nicht gewohnt. Eines Dinges gewohnt werden. Auch im Scherze von leblosen Dingen. Der Rock ist des Regens schon gewohnt.

Anm. Im Nieders. wennen, im Angels. geuuunian, im Oberdeutschen ehedem nur wohnen.


Ich was vil vngewon

Des ich nu wonen muos,

Heinrich von Rugge.


Kero gebraucht kiuuonen für gewohnt seyn, pflegen. Es gehöret zu dem Zeitworte wohnen, welches in der weitesten Bedeutung auch bleiben, von dem Verharren in einem Orte oder Zustande, bedeutete, S. dasselbe. Das Mittelwort gewohnt lautet im Isidor nur chiuuon, bey dem Ottfried giuuon, im Nieders. gewend.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 672-673.
Lizenz:
Faksimiles:
672 | 673
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika

Adelung-1793: Gewöhnen