Haften

[893] Haften, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, hangen oder kleben bleiben, fest, unbeweglich auf etwas bleiben. 1. Eigentlich. Papier, welches mit bloßem Wasser aufgeklebet wird, haftet nicht, oder bleibt nicht haften. Der Boden ist so schlüpfrig, ich kann hier nicht haften, keinen festen Tritt haben. Da haftet es, im Oberdeutschen, eigentlich von einem Wagen, der wegen eines Hindernisses nicht weiter kann, wo man im gemeinen Leben der Hochdeutschen sagt, da hapert es. 2. Figürlich. 1) Wie begierig blieb dein Auge[893] auf allen Schönheiten haften! in der höhern Schreibart, für, sich verweilen. 2) Ein flatterhafter Mensch, bey dem nichts haften will, dessen Gedächtniß nichts behalten kann. 3) Mit etwas verbunden seyn, in einigen R.A. Weil aber Gefahr auf den Verzug haftet. Es haften einige Schulden, viele Abgaben auf dem Gute. 4) Für jemanden, oder für eine Sache haften, Bürge dafür seyn. Du mußt mit dafür haften, dafür stehen. Ältern und Vormünder müssen für das Verhalten der Kinder haften. Daher die Haftung, im Oberdeutschen, für Bürgschaft. 5) Es haftet nicht an mir, eine im Oberdeutschen übliche R.A. wofür man im Hochdeutschen sagt, es liegt nicht an mir. Die Herstellung der Ruhe wird an mir nie haften. Daß an oder bey mir der Verzug gewiß nicht hafte, die Schuld des Verzuges nicht liege.

Anm. Schon Kero und Notker gebrauchen haften im eigentlichen Verstande. Bey dem letztern heißt einem haften auch figürlich, ihm Verbindlichkeiten schuldig seyn. Es ist das Neutrum von dem Activo heften, S. dasselbe, und gehöret mit demselben zu dem Zeitworte haben, von welchem es ein Iterativum oder vielmehr Intensivum zu seyn scheinet. Das Griech. ἁφθειν, verbunden seyn, kommt damit überein. Ehedem hatte man auch ein Activum haften, welches schon bey dem Ottfried und Notker für ergreifen vorkommt, und in einigen Oberdeutschen Gegenden noch für in Verhaft nehmen üblich ist.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 893-894.
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