Hahnrey, der

[903] Der Hahnrey, des -es, plur. die -e, im gemeinen Leben, eine schimpfliche Benennung eines Ehemannes, dessen Gattinn die eheliche Treue verletzet; ein Hörnerträger. Ein Hahnrey seyn, eine untreue Frau haben, Hörner tragen. Eine Frau macht ihren Mann zum Hahnreye, oder setzt ihm Hörner auf, wenn sie ihm untreu wird. Bav macht Tullium zum Hahnrey, oder setzt ihm Hörner auf, wenn er dessen Gattinn zur Untreue verleitet. Daher die Hahnreyschaft, die Eigenschaft, der Stand eines Hahnreyes.

[903] Anm. Dieses Wort lautet im Nieders. Dän. und Schwed. gleichfalls Hanrei. In den beyden letzten Sprachen ist es, dem Ihre zu Folge, fremd, und vermuthlich von den Deutschen angenommen worden. Man hat von diesem dunkeln Worte eine Menge Ableitungen, wovon eine die andere an Zwang und Unwahrscheinlichkeit übertrifft. Leibnitz leitete es von Hahn und dem alten ri, Isländ. runa, schneiden her, und erklärte es durch einen geschnittenen Hahn, oder Kapaun; Eckard leitete die letzte Hälfte des Wortes von rehe, müde, ab, und sahe in dem Hahnrey weiter nichts, als einen abgematteten zu seiner Bestimmung untauglichen Hahn. Wachter fiel auf das Angels. Heanra, Volk, Pöbel, und das Isländ. ria, spotten, und erklärete es durch aller Leute Spott. Ihre bringt das alte Bretagnische Hannerey, die Hälfte, in Vorschlag, und glaubt, man könne Hahnrey diesem Worte zur Folge durch einen Ehemann erklären, der der Vorrechte seines Ehebettes nur halb genießet. Anderer zu geschweigen. Bey diesen Umständen bleibt Frischens Muthmaßung immer noch die wahrscheinlichste, welcher dafür hält, daß dieses Wort aus dem Italiänischen Cornaro verderbt worden; welches dadurch glaublich wird, weil die Benennung eines Hörnerträgers sehr alt ist, und schon bey den Römern üblich war, (S. Horn,) übrigens auch die Verderbniß der Sitten für das ganze westliche und mitternächtige Europa aus Italien seinen Ursprung hat, da denn nicht selten auch die Nahmen zugleich mit eingeführet worden. Frisch hat dieses Wort bey dem Matthesius im sechzehenten Jahrhunderte zuerst gefunden, der es aber in beyden Geschlechtern, so wohl von einem Hurer als von einer Hure gebraucht. Opitz und Logau haben das sonst ungewöhnliche Zeitwort hahnen, zum Hahnrey machen.


Wie oft ist Reu ankommen

Dem lieben Feuergott, daß er geoffenbahrt,

Gradiv, die eigne Smach, als er gehahnet ward,

Opitz.


Das Hahnen kömmt von dir,

Opitz.


Allein es scheinet, daß dieses ein selbst gemachtes Wort ist, wozu bloß die unrichtige Erklärung der ersten Sylbe in dem Worte Hahnrey Anlaß gegeben.

Indessen ist doch die Anspielung auf einen Hahn in den gleichbedeutenden Wörtern anderer Sprachen schon sehr alt. Von dem Französischen Coq, ein Hahn, scheinen die mittlern Latein. Cugus, Cucussus, Cucuciatus, Cucutus, Cucullus, die alten Französischen Ausdrücke Couz, Couyoul, Coucuol; Coquart, Coquillard, Hugho, wofür die heutigen Franzosen Cocu sagen, und das Engl. Cuckold, abzustammen, ob man sie gleich gemeiniglich von Guckguck, Lat. Cuculus, ableitet, und für eine Anspielung auf die bekannte Erzählung hält, daß der Guckguck seine Eyer in das Nest einer Grasmücke lege, und von derselben ausbrüten lasse; da denn aber Hahnrey und Cocu eigentlich den Hahnreymacher bedeuten müßten, welches aber nicht leicht wird erwiesen werden können. Richtiger nannten die alten Römer einen Hahnrey Curruca, welches Wort eigentlich der Nahme der Grasmücke ist, woraus im mittlern Latein. Coruca geworden. Übrigens wurde ein Hahnrey im mittlern Lateine auch Cucurbita, Minarius, Minnarius, Nima, Nimuarus, Niminvir, ingleichen Copaudus, im Französ. ehedem Coppau, Coupaut, Copereau, Couers, Couppere genannt, daher accouppaudir jemanden zum Hahnrey machen bedeutete. So fern eine Frau ihren Mann zum Hahnrey macht, wird solches in einer Französ. Urkunde von 1475 faire Jean genannt, S. Haus. Die Ital. Benennungen Becco, Becconazzo, Cornuto, Cornaro, sind bekannt. Die Longobarden nannten einen solchen Ehemann Arga, und in Niedersachsen heißt er Dudeldop, welches aber eigentlich einen schläfrigen, einfältigen Menschen bedeutet,[904] daher Frischens Ableitung von einem Düthorne hier wohl nicht Statt finden kann.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 903-905.
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