Hang, der

[963] Der Hang, des -es, plur. inus. von dem Neutro hangen. 1. Eigentlich. 1) Die Eigenschaft einer Fläche, nach welcher sie mit der Horizontal-Linie einen stumpfen Winkel macht; in welcher Bedeutung es doch nur selten gebraucht wird. 2) * Der abhängige Theil, die abhängige Seite eines Körpers, eines Ortes; eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung, wofür Abhang üblicher ist. Die Schanze liegt auf einem Hange, im Oberdeutschen. 2. Figürlich, ein merklicher Grad der Neigung zu etwas, Fertigkeit zu Veränderungen Einer Art. 1) Im physischen Verstande. Der Hang eines Körpers zur Hypochondrie. Noch mehr, 2) im moralischen. Die Menschen haben einen natürlichen Hang, ihre Meinungen fortzupflanzen. Unser Geist hat einen nothwendigen Hang, sich von jeder Art der Schönheit rühren zu lassen. Ein überwiegender Hang zum Bösen, zu sinnlichen Empfindungen. Der Hang zur Geselligkeit, zur Bequemlichkeit, Gell. Wir haben einen natürlichen Hang, an dem Übel anderer Theil zu nehmen. Ohne Liebe nimmt das menschliche Herz leicht einen Hang zur Traurigkeit und zum Eigenwillen an, Gell.

Anm. Herr Stosch hat bereits ganz richtig bemerket, theils, daß Hang in der figürlichen Bedeutung neu ist; und bey ältern Schriftstellern nicht leicht angetroffen werden möchte, obgleich das Englische Hank auf eben diese Art gebraucht wird; theils, daß Neigung, Hang und Trieb eigentlich nur den Graden nach verschieden sind. In den beyden ersten liegt ein und eben dasselbe Bild zum Grunde, nur daß Hang eine größere Abweichung von der Horizontal-Linie bezeichnet als Neigung, daher es auch figürlich von einem höhern Grade der Fertigkeit gebraucht wird. Trieb scheinet eigentlich einen noch höhern Grad zu bezeichnen, ungeachtet Hang sehr häufig mit demselben als gleichbedeutend gebraucht wird. Nur die Einschränkung, daß Neigung und Hang Kenntniß voraus setzen, bekommt weder aus dem eigenthümlichen Bilde beyder Wörter, noch aus dem Gebrauche einige Erweislichkeit.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 963.
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