Harren

[979] Harren, verb. reg. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, und im Oberdeutschen für warten am üblichsten ist. Noah harrete noch andere sieben Tage, 1 Mos. 8, 12. Sieben Tage sollt du harren, bis ich zu dir komme, 1 Sam. 10, 8. Ingleichen für zaudern, eine Handlung aufschieben. Harre nicht mit Besserung deines Lebens, Sir. 18, 22. Harre hie, harre da, hie ein wenig, da ein wenig, Es. 28, 10, 13. Auch im guten Verstande. Darum harret der Herr, daß er euch gnädig sey, Es. 30, 18. Da Gott einsmahls harrete und Geduld hatte, zu den Zeiten Noä, 1 Petr. 3, 20. Ferner mit dem Vorworte auf, oder statt dessen mit der zweyten Endung. Wenn ihr zusammen kommet zu essen, so harre einer des andern, 1 Cor. 11, 33. Sie harrt nur auf Gelegenheit, Wiel. Wo es zuweilen auch für hoffen gebraucht wird. Daß ich so lang muß harren auf meinen Gott, Ps. 69, 4. Harre auf Gott, Ps. 62, 6, 12. Harre sein nur, Hiob 35, 14. Ob sie (die Weißagung) aber verzeucht, so harre ihr, sie wird gewißlich kommen, Hab. 2, 3.

Im Hochdeutschen gebraucht man es so wohl absolute, als auch mit dem Vorworte auf, oder statt dessen nach Art der Oberdeutschen mit der zweyten Endung des Nennwortes, wo es in engerer Bedeutung ein anhaltendes ängstliches und doch mit Geduld verbundenes Warten und Hoffen bezeichnet. Harre, und du wirst sehen, daß die Übel zu deinem größern Glücke dienen. Gell.


Traurig harrte die bange Natur im erkaltenden Schauder,

Zach.


Die Völker haben dein geharret,

Gell. Lied.


Harr seiner meine Seele,

Harr und sey unverzagt,

Gell. Lied.


Herauf, o Sonne, lange schon harrt dir der Bard entgegen, Denis. Es klingt daher alle Mahl widrig, wenn ungeschickte Schriftsteller da harren, wo vernünftige Personen nur warten würden.

Anm. Im Nieders. bedeutet harren in engerer Bedeutung aushalten, ausdauern; ich kann hier nicht harren, nicht aushalten. Es ist sehr wahrscheinlich, daß es von hart abstammet, so wie das Lat. durare von durus gebildet ist; welches aus den verwandten Sprachen, welche das t behalten haben, noch deutlicher wird. Im Schwed. ist framhärda und uthärda ausharren, verharren, ehedem auch im Hochdeutschen geherten, und selbst unser währen und warten kann vermittelst der nicht ungewöhnlichen Verwechselung der Hauch- und Blaselaute davon abstammen. Daß das Lat. haerere, und vielleicht auch das Hebr. אחר, zaudern, zurück bleiben, gleichfalls dahin gehören, wird demjenigen nicht unwahrscheinlich däuchten, der die Verwandtschaft aller Asiatischen und Europäischen Sprachen unter einander kennet. S. Hart, Währen und Warten.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 979.
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