Herberge, die

[1116] Die Hêrbèrge, plur. die -n, von Heer und bergen. 1) * Ein Ort, wo sich ein Heer, d.i. viele, vor der Witterung bergen, oder daselbst Schutz finden können. Zu dieser eigentlichsten, aber bereits veralteten Bedeutung, gehöret das Engl. Harbour, ein Hafen, das Bretagnische Erberc'h, ein vor der Witterung sicherer Ort, Abri. 2) * In engerer Bedeutung, eine jede Wohnung, eine Hütte, ein Gezelt, ein Logis u.s.f. Bi then heribergon dhero herdon, Willeram Hohel. 1, 8; bey den Hirtenhäusern, Luth. Ketubele dere herebirgon, Notk. Ps. 107, 4, das Thal der Hütten. Beyde gebrauchen es mehrmahls auch von Gezelten. In einigen Gegenden der Schweiz, z.B. in Schafhausen, ingleichen in der Oberpfalz, bedeutet Herberge noch ein Logis in einem Hause, eine gemiethete Wohnung. Im Hochdeutschen ist es auch in dieser Bedeutung veraltet. 3) * Ein Lager, der Ort, wo sich ein Kriegsheer unter freyem Himmel vor der Witterung birget; eine gleichfalls veraltete Bedeutung, welche aber in den mittlern Zeiten sehr häufig vorkommt. Dahin gehören das Herebirga und Herebergo bey dem Notker, Hereberga bey dem Willeram, das alt Franz. Hereberge, und andere mehr. 4) Ein jeder Ort wo man einkehret, und auf kurze Zeit verpfleget wird, es sey für Geld oder aus Gefälligkeit; ingleichen die Einkehrung und der Aufenthalt an einem solchen Orte. Bey jemanden zur Herberge seyn. Seine Herberge an einem Orte haben, sie bey jemanden nehmen. Eine gute, eine schlechte Herberge. Sich bey jemanden die Herberge ausbitten. Da sie ihm einen Tag bestimmten, kamen viel[1116] zu ihm in die Herberge, Apostelg. 28, 23. Welcher ist zur Herberge bey einem Gerber Simon, Kap. 10, 6, 18. Daß sie hingehen in die Dörfer und Herberge und Speise finden, Luc. 9, 12. Bereite mir die Herberge, Philem. v. 22. In diesem Verstande gebraucht man es nur noch im gemeinen Leben, wo man auch Gasthäuser, besonders geringer Art, wo Reisende für Geld Aufenthalt und Bewirthung finden, Herbergen, öffentliche Herbergen zu nennen pfleget. Bey den Gesellen der Handwerker ist die Herberge derjenige Versammlungsort einer Zunft oder Innung, wo sie ihre Lade hat, die reisenden Gesellen beherbergen, und die Kranken verpflegen lässet; da denn der Wirth der Herbergsvater, und dessen Gattinn die Herbergsmutter heißen.

Anm. In der letzten Bedeutung schon bey dem Notker Herebergo, bey den Schwäbischen Dichtern Hereberge, im Angels. Hereberga, im Nieders. Harbarge, im Dän. Herberg, im Schwed. Haerberge, im mittlern Lat. Heribergum, Herbergamentum, Herbergagium, Alberga u.s.f. im Franz. von einem Gasthofe Hauberge, Auberge, im Ital. Albergo, im Span. Alvergue. Ungeachtet man in dem vorigen Jahrhunderte angefangen hat, Heer und dessen Zusammensetzungen und Ableitungen mit einem doppelten e zu schreiben, so haben sich doch Herberge und Herzog bey der alten Schreibart erhalten; vermuthlich weil man sie schon von Alters her mit einem kurzen offenen e ausgesprochen, dagegen Heer ein langes, scharfes e hören lässet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1116-1117.
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