Kerl, der

[1551] Der Kèrl, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Kerlchen, ein sehr altes Wort, welches ehedem eine jede Person männlichen Geschlechtes, in engerer Bedeutung aber theils einen tapfern, starken Mann, theils aber auch einen Ehemann bedeutete. In allen diesen Fällen ist es in der anständigen Sprechart veraltet, weil es vermuthlich durch den langen Gebrauch einen verächtlichen Nebenbegriff bekommen hat, und daher nur noch in der niedrigen, höchstens niedrig-vertraulichen Sprechart, am häufigsten aber von geringen Personen gebraucht wird. Ein braver Kerl, ein herzhafter, muthiger Mann. Er ist ein ehrlicher Kerl. Ein liederlicher Kerl. Die Niedersächsischen Bauern sind starke Kerl. In der niedrigen Sprechart und mit einem verächtlichen Nebenbegriffe, auch ein Liebhaber: Ihr werdet sammt eurem Kerl (Kerl) das Brot noch vor den Thüren suchen müssen, Gell. Ingleichen ein Bedienter.

Anm. Im Nieders. Keerl, im Dän. und Schwed. Karl. Bey dem Ottfried ist Karl ein Ehemann. Ane charilis miteslaf, heißt bey dem Notker ohne des Mannes Beyschlaf. Bey dem Stryker ist Cherling so wohl ein Fürst als ein Held. Das Wallis. Carl, Angels. Ceorl, Engl. Churl, und Ital. Carlona, bedeuten einen Bauer, einen Menschen geringen Standes, im Gegensatze eines Eorl, eines Adeligen. Dagegen im Engl. Carle und im Dän. Karle oft für ein jedes Ding männlichen Geschlechtes, selbst für die männliche Endung -er gebraucht wird. So ist im Engl. Carl – Cat ein Kater, Carl – Hemp männlicher Hauf, und im Dän. Aagerkarl ein Wucherer. Bey diesen verschiedenen und zum Theil sehr alten Nebenbegriffen,[1551] bleibt die erste eigentliche Bedeutung dieses alten Wortes ungewiß. Ihre glaubt nicht unwahrscheinlich, daß es mit dem Lat. Vir einerley sey, weil man sehr viele Beyspiele hat, daß die Gaumen- und Blaselaute in einander übergehen. Der eigenthümliche männliche Taufnahme Carl, welcher nach dem Muster des Latein. Carolus nunmehr durchgängig mit einem C geschrieben wird, ist eben, dieses Wort, und zwar in der Bedeutung eines tapfern Mannes. Wenn in einigen Niedersächsischen Gegenden Keerl einen verschnittenen Mann, einen Castraten bedeutet, so stammet es zunächst von dem alten karen, schneiden, verschneiden, her. S. Kerben und Kapaun.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1551-1552.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika