Lehre, die

[1984] Die Lehre, plur. die -n, von dem Zeitworte lehren.

1. Ein bey verschiedenen Handwerkern und Künstlern übliches Wort, wo es überhaupt ein Modell, Muster, ein Werkzeug, die Größe oder Beschaffenheit eines Dinges zu untersuchen, es darnach zu bestimmen, u.s.f. bedeutet.

1) Eigentlich. Bey den Feuerwerkern ist die Lehre, das Lehr, das Kugellehr, und verderbt das Kugelöhr, ein eisernes[1984] Blech, worin die Größe der Kugeln ausgeschnitten ist, ihren Durchmesser darnach zu bestimmen. Bey den Maurern wird das Bogengerüst, oder das hölzerne Gerüst, Gewölber und Bogen darüber aufzuführen, der Lehrbogen, die Bogenlehre, oder nur die Lehre schlechthin genannt. Bey den Schlössern ist die Lehre bald ein eiserner Stift, bald auch ein Loch, um zu sehen, ob verschiedene Löcher von gleicher Größe sind, oder ob verschiedene Dörner oder Stifte einerley Stärke haben; Franz. Calibre. Bey eben denselben wird auch ein kleines Werkzeug, welches mit der Stellschraube hin und her geschoben werden kann, allerley Öffnungen damit zu messen, und welches die Stelle eines Stangenzirkels vertritt, die Lehre genannt. Ein ähnliches Werkzeug derselben, welches gleichfalls diesen Nahmen führet, dienet dazu, die Röhren in den Schlüsseln zu probieren, ob sie recht gerade sind. Ja alle stählerne Muster, Schilder, Schlüssellöcher und Bleche danach auszuhauen, führen bey ihnen den Nahmen der Lehren. Die Jäger und Fischer nennen das Strickholz oder Strickbret, vermittelst dessen die Maschen gestricket werden, die Lehre. Bey den Seilern ist die Lehre ein Rechen mit kleinen hölzernen Zähnen, zwischen welchen die Spinnfäden geleitet werden. Auch die Bildhauer pflegen ihre Modelle oder Muster Lehren zu nennen. In der Landwirthschaft einiger Gegenden, wird auch der Vorsteckkeil hinten an dem Walterchen, vermittelst dessen die Räder des Pfluges gestellet werden, von einigen die Lehre genannt. In diesem Verstande lautet es bald die Lehre, bald der Leher, und der Lehrer, bald aber auch das Lehr, dagegen es von andern mit zwey e die Leere geschrieben wird. Allein, wer siehet nicht, daß es so wie die folgenden Bedeutungen von dem Zeitworte lehren abstammet? Schon bey dem Kero ist Leera ein Werkzeug, Instrument.

2) Figürlich, der Zustand eines Dinges, da es der Vorschrift, dem Maße gemäß ist, ohne Plural; in welcher Bedeutung es besonders bey den Müllern üblich ist, bey welchen der Stein in die Lehre gebracht wird, wenn man ihn in das Gleichgewicht bringet. Der Stein liegt in der Lehre, wenn er im Gleichgewichte liegt.

2. In weiterer Bedeutung.

1) Der Vortrag einer Wahrheit. (a) Im engsten Verstande, eine Regel des Verhaltens. Jemanden eine gute Lehre geben. Einem allerley gute Lehren beybringen. Das soll mir eine Lehre seyn. Laß dir das zur Lehre dienen. Chrysipps Unglücksfälle sind für uns Lehren vom Himmel. (b) In weiterer Bedeutung, der Vortrag einer Erkenntniß, eine in Worten vorgetragene Wahrheit. Allerley neue Lehren aufbringen. (c) Figürlich, der ganze Umfang oder Zusammenhang aller Vorschriften oder Wahrheiten Einer Art, eine Doctrin; ingleichen ein Buch, welches denselben enthält. Die Glaubenslehre, Tugendlehre oder Sittenlehre, die Arzeneylehre, die Vernunftlehre, Rechtslehre, die Sprachlehre u.s.f. Die Mathematik ist die Lehre von der Größe der Körper. In engerer Bedeutung wird die Glaubenslehre zuweilen nur schlechthin die Lehre genannt. In der Lehre nicht richtig seyn. Die reine Lehre.

2) Der Zustand, da man lehret, oder gelehret wird; ohne Plural. (a) In einigen Gegenden führet die Katechisation den Nahmen der Kinderlehre. (b) Der Zustand, da man gelehret wird, oder lernet; eine besonders bey den Handwerkern und andern Zunftverwandten übliche Bedeutung. Ein Mensch ist bey allen zünftigen Anstalten so lange in der Lehre, als er die Anfangsgründe eines Handwerkes oder einer Kunst erlernet, bis er los gesprochen oder zum Gesellen erkläret wird. S. Lehrbursch.[1985] Bey einem Meister oder Künstler in der Lehre seyn, ein Handwerk oder eine Kunst bey ihm erlernen. Einen Knaben bey jemanden in die Lehre thun oder geben. Einen Knaben in die Lehre nehmen. Bey einem in der Lehre stehen. Aus der Lehre laufen. Von dem Zustande, wo man in Wissenschaften oder freyen unzünftigen Künsten unterrichtet wird, ist dieses Wort nicht üblich.

Anm. Schon bey dem Kero Leru, bey dem Ottfried, der es auch für Doctrina gebraucht, Lera, im Isidor Lerunga, im Nieders. Leere, im Angels. Laera, im Engl. Lere, Lerry. S. Lehren.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 1984-1986.
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