Leute, die

[2040] Die Leute, sing. inus. Diminut. die Leutchen, Oberd. Leutlein. Es bedeutet heut zu Tage,

1. In der weitesten Bedeutung, Menschen, Personen überhaupt, ohne Unterschied des Geschlechts, besonders erwachsene Personen, von einer unbestimmten Anzahl; daher es auch kein eigentliches Zahlwort vor sich leidet. Indessen ist es in dieser allgemeinen Bedeutung nur im gemeinen Leben, oder von geringern Personen üblich. Wenn man von andern mit Achtung spricht, pflegt man sie niemahls Leute zu nennen. Er ist auf Reisen gewesen und hat Land und Leute gesehen, viele Länder und Menschen. Von andern Leuten leben müssen. Alle Leute sagen es. Eine Gesellschaft von wenig Leuten. Es waren viele Leute zugegen. Wir sehen, daß oft Leute sich aus Dingen ein Vergnügen machen, worin alle übrigen keines finden. Bey Leuten, die nicht scharf denken können, thun witzige Blendwerke oft gute Dienste, Gell. So sind wir geschiedene Leute. Nicht viel unter die Leute kommen. Etwas vor allen Leuten thun. Aus Kindern werden Leute, erwachsene Menschen. In der Deutschen Bibel wird es noch oft von angesehenen, vornehmen Personen gebraucht; berühmte Leute, I Mos. 6, 4, Sir. 39, 4, und in andern Stellen mehr, in welchem Verstande es aber in der anständigen Schreibart gern vermieden wird.

2. In engerer Bedeutung, Personen, Menschen aus dem Volke, geringe Leute, diejenigen, welche das Volk, den großen Haufen ausmachen. Die Leute sagen es. Etwas unter die Leute bringen. In der Leute Mäuler gerathen. Es stand ein Haufen Leute auf dem Markte. Wer kann den Leuten die Mäuler verbiethen? In welchen und vielen andern R.A. man doch zunächst Personen aus dem Volke verstehet.

3. In noch engerm Verstande. 1) Personen, welche jemanden unterworfen sind. Meine Leute, d.i. mein Gesinde, meine Unterthanen, Personen aus meiner Familie. Land und Leute verlieren, das Land mit den Unterthanen. Eben so nennen die Befehlshaber der Kriegsvölker die ihnen untergebenen gemeinen Soldaten ihre Leute. Im Schwed. bedeutet Lid, im Wallis. Lluyd, und im Angels. Hlot, Kriegsvölker, daher einige diese Bedeutung für die erste gehalten haben, und Leute von dem veralteten liden, letzen, streiten, kämpfen, ableiten wollen. Allein man siehet leicht, daß Leute hier so gebraucht wird, wie Volk, Völker, 2) Personen, welche zu unsrer Familie gehören, pflegen wir im gemeinen Leben häufig unsre Leute zu nennen. So sagt ein Kind meine Leute, und verstehet darunter seine Ältern und Geschwister. Auch Dienstbothen begreifen darunter ihre Herrschaft. 3) In einigen Fällen, besonders in Zusammensetzungen, beziehet es sich vorzüglich auf das männliche Geschlecht. S. Mann, wo diese Fälle werden angeführet werden.

Anm. Schon im Isidor Liudi, bey dem Ottfried Liuti, im Nieders. Lüde, Lüe, bey den Krainerischen Wenden Ludji. Ehedem wurde es auch sehr häufig als ein Collectivum gebraucht, das Volk zu bezeichnen, da es denn auch im Singular und im männlichen Geschlechte üblich war. So bedeutet Liuteo bey dem Kero die Völker, und ther Liut, ther Luit, bey dem Ottfried,[2040] Willeram und Notker, das Volk. Auch im Isländ. ist Liod, im Schwed. Lyd, im Böhm. Lid, im Pohln. Lud, im Wallisischen Lliwed, das Volk, wozu auch das Griech. λαος, das Volk, und λειτος, öffentlich, gehören. Die Abstammung dieses Wortes ist bey dessen hohem Alterthum sehr ungewiß. Rudbeck leitet es von dem Schwed. lyda, hören, gehorchen, her, so wie Volk von vielen von folgen abgeleitet wird. Der fast beständige Gebrauch, da man nur geringe und andern unterworfene Personen Leute zu nennen pflegt, macht diese Ableitung wahrscheinlich; zumahl da auch Lidi, Leudes, Leudi, Leodi, Laeti, Liti u.s.f. im mittlern Lat. von einer Art leibeigener oder zum Dienst verpflichteter Unterthanen gebraucht wurde. S. auch Lasse. Richey nahm laut, der Laut, für das Stammwort an, und glaubte, daß dieses Wort zunächst das Geräusch, welches mehrere Menschen, besonders geringerer Art, durch ihre Versammlung machen, ausdrucke; woraus sich so wohl die sehr unbestimmte Bedeutung, als auch der anklebende verächtliche Nebenbegriff erklären lassen würde. Im Meklenburgischen ist, eene groote Laut noch jetzt confluxus hominum concurrentium. Mit eben so vielem Rechte ließe es sich aber auch zu dem Geschlechte der Wörter Klette, Kloß, Nieders. Kloot, laden, Letten u.s.f. rechnen, so daß es zunächst den Zusammenhang, die Verbindung mehrerer Menschen, einen Haufen Menschen ausdrucken würde. Indessen da das Leut in einigen Oberdeutschen Gegenden auch noch im Singular und individuell üblich ist, eine Person zu bezeichnen, sie ist ein feines Leut, im alten Engl. auch Lede, Leid, und im Angels. Leode, einen Menschen, und bey dem Ulphilas Laude einen Mann bedeuten: so stehet es dahin, ob dieses Wort nicht vielmehr mit Leib und Leiche Eines Geschlechtes ist, welche ehedem auch von einer lebendigen Person gebraucht wurden. Alsdann würde auch der größten Theils Oberdeutsche Gebrauch, da man eine Leiche an vielen Orten ein Leid heißt, hierher gehören. S. das Leid.

Das Diminut. Leutchen und Leutlein ist nur in der vertraulichen Sprechart üblich, wenn man mit Liebe, Freundlichkeit von andern Leuten, besonders geringerer Art spricht. Die Leutlein aber erzeigten uns nicht geringe Freundschaft, Apostelg. 28, 2, 4. O ich liebe solche politische Leutchen, wie ich und sie sind, Weiße.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 2040-2041.
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