Lust, die

[2134] Die Lust, plur. doch nur in einer einzigen Bedeutung, die Lüste.

1. Die Äußerung der anschauenden Erkenntniß des Angenehmen, und diese anschauende Erkenntniß selbst. 1) Die Äußerung der anschauenden Erkenntniß des Angenehmen, oder der angenehmen Empfindung durch äußere Handlungen, die Lustigkeit; in welcher ohne Zweifel ersten und ursprünglichen Bedeutung es nur noch in einigen Fällen des gemeinen Lebens üblich ist. Es ist lauter Lust an ihm, oder in ihm, sagt man daselbst von einem Menschen, der seine angenehmen Empfindungen durch sehr merkliche äußere Handlungen an den Tag legt. Das war eine Lust! wenn mehrere ihre angenehmen Empfindungen auf solche Art bekannt machen. 2) Die anschauende Erkenntniß des Angenehmen selbst, zunächst nur des sinnlich Angenehmen, hernach aber auch eines jeden Angenehmen. Etwas mit Lust empfinden, sehen, hören, thun. Mit Lust arbeiten. Ich sehe es mit Lust, wie sein grauer Bart schneeweiß über meine Brust herunter wallet, Geßn. Seine Lust in etwas suchen. Seine Lust an etwas haben, das Angenehme, und in der Deutschen Bibel auch das Vollkommene, an demselben auf eine anschauende Art erkennen. Seine Lust am Tanzen, am Reiten, am Studiren u.s.f. haben. Ich sehe meine Lust daran, ich sehe es mit Lust, mit Vergnügen. Etwas zur Lust thun, bloß um das Angenehme davon zu empfinden. Sich eine Lust machen, etwas vornehmen, dessen Angenehmes man sich auf eine anschauende Art bewußt seyn könne. Die Jagdlust, Landlust, Gartenlust u.s.f. die Jagd, der Aufenthalt auf dem Lande, in einem Garten, als eine solche Lust betrachtet. Bey schönem[2134] Wetter ist es eine Lust zu reisen. In dieser ganzen Bedeutung ist es vorzüglich der Sprache des gemeinen und gesellschaftlichen Lebens eigen; in der anständigern Sprechart wird man lieber das Wort Vergnügen gebrauchen. Die Ursache ist leicht zu errathen. Lust druckt eigentlich den äußern Ausdruck des Vergnügens aus, welcher in den meisten Fällen einem gesetzten Manne unanständig ist. S. Lustig.

2. Die Neigung, das Verlangen nach einer angenehmen, oder doch als angenehm gedachten Sache. 1) Überhaupt, wo es dieses Verlangen nur allgemein ausdruckt, dessen höherer Grad Begierde genannt wird; ohne dessen Sittlichkeit zu entscheiden. Es wird zunächst von dem sinnlichen Verlangen nach einem Gegenstande, hernach aber auch von der Neigung zu einer jeden andern Sache gebraucht, und ist im gemeinen Leben am üblichsten, wofür man in der edlern Schreibart lieber das Wort Neigung gebraucht. Lust zu essen, zu trinken, zu schlafen, zu arbeiten haben. Ich habe heute keine Lust dazu. Die Lust ist mir vergangen. Einem die Lust zu bauen benehmen. Einem Lust zu etwas machen. Ich habe Lust zu diesem Hause, empfinde eine Neigung es zu kaufen. Der Knabe hat keine Lust zur Handlung. Nach aller Lust, nach Herzenslust schlafen, so lange als man nur Neigung dazu hat. Seine Lust büßen, sein Verlangen befriedigen. Im gemeinen Leben sagt man auch wohl in dem sonst ungewöhnlichen Diminutivs, ein Lüstchen zu etwas haben, sein Lüstchen büßen. 2) In engerer und nachtheiliger Bedeutung, in welcher dieses Wort am häufigsten nur allein im Plural gebraucht wird, sind die Lüste alle unordentliche Begierden. In den Lüsten leben. Den Lüsten dienen, fröhnen. Ein leichtsinniger, junger Mensch, der noch in den Lüsten herum taumelt, Weiße.


Sie (viele Christen) wagen auf der Bahn der Tugend einen Schritt,

Und sehn darauf nach ihren Lüsten,

Und nehmen ihre Lüste mit,

Gell.


Die Lüste des Fleisches, Bewegungen der Sinnlichkeit, in den Lüften wandeln, seine Lüste kreuzigen, sind nur in der biblischen Schreibart üblich. In der Deutschen Bibel wird es auch häufig in der einfachen Zahl gebraucht, die Neigung zum Bösen, die herrschende Sinnlichkeit, ja die ganze so genannte Erbsünde zu bezeichnen, in welchem Verstande es unter andern Röm. 7, 7 vorkommt.

Anm. In der ersten Bedeutung schon bey dem Kero Lustida, bey dem Ottfried Lust, im Nieders. Angels. Engl. gleichfalls Lust, im Dän. Lyst. Es scheinet mit los und lose Eines Geschlechtes zu seyn, und eigentlich die durch die anschauende Erkenntniß des Angenehmen verursachten äußern Bewegungen zu bezeichnen; so wie das Lat. Voluptas, Wollust, der mittlern Sylbe nach auf ähnliche Art zu dem verwandten lüsten, Oberd. lupfen, luppen, gehören kann. In der Bedeutung des Verlangens gehöret das Lat. lubet, libet, belieben, und das Griech. λαειν, begehren, vielleicht auch unser verlangen, dahin. Im Griech. λωσος ist der beste.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 2. Leipzig 1796, S. 2134-2135.
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