Mancher

[44] Mancher, manche, manches, ein unbestimmtes Pronomen der Personen und Sachen, welches nach der dritten Declination der Beywörter gehet, daher keinen Artikel vor sich leidet, und mehrere Dinge Einer Art mit einem schwachen Nebenbegriffe der Vielheit bedeutet, so wie einige einen schwachen Nebenbegriff der wenigen Anzahl bey sich hat. Es wird so wohl conjunctive, d.i. in Gesellschaft seines Hauptwortes, als auch absolute, und ohne dasselbe gebraucht.

Da es den Begriff der Mehrheit hat, so stehet es ordentlicher Weise im Plural. Manche Leute können das nicht glauben, d.i. es gibt Leute, welche das nicht glauben können. Unter so vielen Menschen müssen nothwendig manche glücklich, manche aber unglücklich seyn. Manchen ist dieses unangenehm, manchen oder mehrern Menschen. Um diese Stärke zu zeigen, muß unsere Geduld durch manche Fälle geübt seyn, Dusch. Durchs liebe Ungefähr, das mancher Glücksstern ist, Michael. mancher Menschen.

Noch häufiger aber im Singular als ein Collectivum. Mancher ist arm bey großem Gut, und mancher ist reich bey seiner Armuth, Sprichw. 13, 7. So manche Stadt, so manche Götter hast du, Juda, und so manche Gassen zu Jerusalem sind, so manchen Schandaltar habt ihr aufgerichtet, Jer. 11, 13, so viele. Hieran wird sich mancher stoßen, mancher Mensch. So manches Herz, das sich verirrte, hat an dem Freunde einen Retter gefunden, Gell. mehrere Herzen, welche u.s.f. Mancher, der sich für noch so weise hält, ist dennoch ein Thor. Das kann in mancher andern Absicht nützlich seyn. Seine Schreibart kann durch kleine Verbesserungen noch manches gewinnen.


Ein Held, der sich durch manche Schlacht,

Durch manch verheertes Land des Lorbers werth gemacht,

Gell.


Ich pflück ihr manchen Strauß, dieß läßt sie auch geschehn,

ebend.


Seyd tapfer, mancher ist gestiegen,

Weil er entschlossen in Gefahr,

Und durstig nach der Ehre war,

ebend.


So auch manche, d.i. manche Person weiblichen Geschlechtes, manches, manches Ding; aber das Neutrum manches, für manche Person, mancher Mensch, gehöret in die niedrige Sprechart.

Einige Sprachlehrer setzen dieses Pronomen mit unter diejenigen, welche die zweyte Endung des Hauptwortes vor sich her gehen lassen. Allein im Hochdeutschen ist diese Wortfügung ungewöhnlich, indem man dafür die Vorwörter von und unter gebraucht, außer zuweilen mit den Relativis; es waren ihrer manche, deren manche, welche u.s.f. das ist, manche von oder unter ihnen, oder denselben. Gewöhnlicher ist es, daß der Genitiv nachfolget; manche unserer Bekannten, von oder unter unsern Bekannten.

Anm. In der Fränkischen Mundart schon 790 manger, bey dem Ruotpert 880 manegiu, manche, bey dem Ottfried manag, manag leid, in manago arabeiti, bey den spätern Oberdeutschen Schriftstellern maniger, mannicher, menger, im Nieders. mannig, männig, mannig-een, bey dem Ulphilas im Plural managos, im Dän. mange, im Schwed. mång und marg, im Engl. many, im Angels. manig, im Franz. maint. Wegen der unbestimmten Bedeutung lassen es viele von dem vorigen man abstammen; allein es ist wahrscheinlicher, daß es das Beywort von dem Hauptworte Menge ist, weil es ehedem auch auf eine bestimmtere Art viel bedeutet hat, wie manag bey dem Kero, maneg im Isidor, manig bey dem Willeram, manag bey dem Ulphilas, mnogo im Russischen, mnchy im Böhmischen und [44] mnogi im Pohlnischen. Das Stammwort ist ein veraltetes man, viel, woraus mit der Ableitungssylbe -ig, manig, mannig und zusammen gezogen manch, und mit der Endung der Abstracten e, Manige, zusammen gezogen Menge, geworden. Die verlängerte Form mannig hat sich noch in mannigfaltig erhalten. Das Lateinische Manus in der Bedeutung mehrerer streitbarer Menschen scheinet damit verwandt zu seyn. S. Menge. Als es schon die unbestimmte heutige Bedeutung angenommen hatte, setzte man ehedem zuweilen noch viel davor, den Nebenbegriff der Mehrheit noch hervorstechender zu machen. Von der elbe wirt entsehen vil maniger man, Heinrich von Morunge. Mit vil maniger clage, Kaiser Heinrich. An viel manchen Ortte, Theuerd. Kap. 38.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 44-45.
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