Mein (5)

[157] 5. Mein, pronomen possessivum, oder das zueignende Fürwort der ersten Person, welches so wohl mit einem Hauptworte, als ohne dasselbe gebraucht wird.

I. Mit dem Hauptworte, als ein Conjunctivum, wird es völlig so, wie das Conjunctivum dein abgeändert, S. 2. Dein. Es bedeutet, 1) etwas, welches mir, oder der ersten Person gehöret, womit sie in Verbindung stehet, was in ihr gegründet ist, ihr widerfahren ist u.s.f. Mein Vater, meine Kinder, mein Haus. Er ist einer meines Gleichen. Nach meiner Meinung. Ich meines Theiles finde es nicht für gut. Ich habe meine guten Ursachen dazu gehabt. Ich habe mein Gutes (das mir bestimmte Gute) empfangen. Es ist nicht niedrige Begierde, meinen Schimpf an dir zu rächen, den mir widerfahrnen Schimpf. Wo es auch oft ein Ausdruck eines zärtlichen Vertrauens, warmer und vertraulicher Liebe wird. Mein König und mein Gott, Ps. 5, 3. Mein Herr und mein Gott, Joh. 20, 28. Mein Geliebter. Mein Sohn. Mein Freund. 2) Zuweilen bezeichnet es auch eine entferntere Verbindung mit allerley Nebenbegriffen. An meinem Orte, in meiner Stadt, in meinem Lande, wo ich wohne, woher ich gebürtig bin. Mein obiger Fremder, von welchem ich oben geredet habe. Es wird, wie alle eigentliche Fürwörter, ohne Artikel gebraucht, und dem Hauptworte alle Mahl vorgesetzet. Findet sich zwischen beyden noch ein Beywort, so wird dieses im Singular am richtigsten nach der ersten Declination der Beywörter abgeändert, als wenn statt des Fürwortes der unbestimmte Artikel ein da wäre, im Plural aber nach der zweyten Declination, als wenn der bestimmte Artikel der da stände. Mein armes Kind. Meine lieben Freunde. Mit den Hauptwörtern Halbe, Weg, Wille wird es im gemeinen Leben und der vertraulichen Sprechart gern zusammen gezogen, doch so, daß das letzte n in das t euphonicum verwandelt wird. Meinethalben kann es geschehen, d.i. ich habe nichts dawider zu sagen, es ist mir gleichgültig. Alles dieses geschiehet meinetwegen, oder um[157] meinetwillen, mir zum Besten, aus einem von mir hergenommenen Bewegungsgrunde. S. 2. Dein, wo dasjenige, was diese Zusammensetzungen betrifft, umständlich bemerket worden.

II. Ohne Hauptwort, als ein Absolutum, welches auf doppelte Art geschiehet. 1) So daß das ungewisse Geschlecht mein nach Art der Beywörter adverbialiter gesetzt wird; welche Form doch nur im gemeinen Leben und in der vertraulichen Sprechart üblich ist. Die Erbschaft ist mein. Wem gehöret das Buch? Antw. Es ist mein. Befehlt mir nicht, ich bin nicht weiter mein, Gell. Es sind nicht mehr als hundert Gulden mein, ebend. Nicht wahr, er soll doch mein? nehmlich seyn, ebend. Ach, strenge Schäferinn, wird auch dein Herz nicht mein? ebend. Ingleichen mit der Inversion, um des Nachdruckes willen, wo es auch in der höhern Schreibart gebraucht wird. Mein ist das Verdienst, dich errettet zu haben. S. 2. Dein II, wo mehr von diesem adverbialischen Gebrauche gesagt worden. 2) Außer dieser adverbialischen Form, so daß es sich auf ein darunter verstandenes Hauptwort beziehet, da es denn in des Declination von dem conjunctiven Fürworte bloß darin abweicht, daß die erste und vierte Endung im Singular meiner, meine, meines hat. Ist das dein Hut? Ich dachte, es wäre meiner. Auch dieser Gebrauch ist in der vertraulichen Sprechart am üblichsten. In der anständigern gebraucht man dafür lieber das Abstractum der, die, das meinige, S. dasselbe, ingleichen 2. Dein II.

Anm. Im Oberd. von des Kero Zeiten an mein, bey dem Ulphilas meins, im Nieders. mien, im Angels. min, im Engl. my, mine, im Wallis. man, im Franz. mien, im Pohln. moy, im Lettischen manas, im Latein. meus, im Griech. εμος, und selbst im Pers. men.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 157-158.
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