Nößel, das

[522] Das Nößel, des -s, plur. ut nom. sing. Diminut. das Nößelchen, Oberd. Nößelein, ein Wort, welches, so wie fast alle ähnliche Benennungen, so wohl von einer Vertiefung, als auch von einer Erhöhung gebraucht wird. 1) Von einer Vertiefung, einem hohlen Gefäße, ist es nur noch in einigen Gegenden so wohl Ober- als Niedersachsens als ein bestimmtes Maß flüssiger und trockner Dinge üblich, welches die Hälfte eines Maßes, einer Kanne oder eines Quartes beträgt, so fern diese drey Wörter gleichbedeutend sind, denn in einigen Gegenden hat man große Kannen, welche zwey Maß halten. Im Oberdeutschen pflegt man ein Nößel, ein Seidel, ein Seidlein, oder einen Schoppen zu nennen. Ein Nößel Bier, Wein, Getreide u.s.f. In Thüringen werden auch die Hufengüter in halbe Hufen, Viertelhufen und Nößel getheilet, wo vielleicht ein Nößel Aussaat zu verstehen ist. Indessen gibt es mehrere Fälle, wo das Nößel figürlich ein gewisser kleinerer Theil eines größern ist. So wird in den Salzkothen zu Halle ein Stuhl, d.i. eine Hauptabtheilung eines Salzbrunnens, in 20 Quart, und ein Quart in zwey Nösel getheilet, da denn jedes Nößel 81/2 Pfanne hält; wo es ein weit größeres Maß bedeutet. In Meißen hingegen, besonders zu Leipzig, ist das Nößel auch ein Holzmaß, welches der sechzehente Theil einer Klafter ist.[522] 2) Von einer Erhöhung, oder einem erhöheten Stücke; in welchem Verstande es vielleicht nur in den Salzkothen üblich ist, wo die aus Salzschlamm gemachten Stücke, welche unter die Pfanne und an den Seiten gelegt werden, damit sie fest stehe, Nößel genannt werden.

Anm. Dieses Wort lautet in den meisten Niedersächsischen Gegenden ohne N nur Ößel; ein neuer Beweis, wie zufällig dieser Buchstab am Anfange vieler Wörter ist. Frisch leitet es daher von Achter ab, weil das Nößel gemeiniglich der achte Theil eines Ganzen ist. Allein, da die Verwandlung zu ungewöhnlich ist, so siehet man es, wie so viele andere, richtiger als ein allgemeines Kennwort an, welches so wohl eine ausgehöhlte, vertiefte, als auch eine erhabene Fläche bedeutet, und mit Nuß, Nase, Nießen für aushöhlen, Nischel, in der weitesten Bedeutung einer Masse, eines Dinges, vielleicht auch mit dem vorigen Noß und der Endung -Niß, und wenn man das N in keine Betrachtung ziehet, auch mit Öhse, essen und so vielen andern dieses Geschlechtes verwandt ist. In der Lausitz werden die Stangen, woran die Zuber getragen werden, Nosselstangen genannt; ohne Zweifel von Nossel, Nößel, ein Zuber, Gefäß. Die Endung -el kann so wohl ein Zeichen des Diminutivi, als auch die Ableitungssylbe seyn, ein Werkzeug oder Ding zu bezeichnen; Nößel, ein vertieftes oder erhabenes Ding.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 522-523.
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