Pfahlbürger, der

[702] Der Pfahlbürger, des -s, plur. ut nom. sing. ein ehedem sehr gangbares, jetzt nur noch in einigen Gegenden übliches Wort, einen Einwohner einer Stadt zu bezeichnen, welcher zwar außer den Stadtmauern, aber doch innerhalb der Bann- und Gerichtspfähle der Stadt wohnet, einen Vorstädter, welcher daher auch alle oder doch einige Rechte der eigentlichen Bürger genießet. In weiterer Bedeutung pflegte man daher ehedem Unterthan, welcher sich zum Nachtheil seiner eigentlichen Obrigkeit das Bürgerrecht in einer fremden Stadt ertheilen ließ, aber an seinem vorigen Wohnorte blieb, einen Pfahlbürger zu nennen. Die Leibeigenen, welche sich auf solche Art ihren Verbindlichkeiten zu entziehen suchten, heißen daher in einer Urkunde Kaiser Rudolphs von 1273 in den Materialien zur Öttingischen Geschichte; Servilis conditionis homines, qui nulla petita licentia vel obtenta, imo ipso inscio fraudulenter et occulte ad civitates convolant, et per jura civitatum suis debitis servitiis se subtrahunt et subducunt. In dem Städtchen Schellenberg bey Augustus-Burg im Erzgebirge werden die Bürger noch jetzt in brauende und Pfahlbürger getheilt. In Frankreich erklärte man in den mittlern Zeiten aus Unkunde der Deutschen Sprache dieses Wort durch Faux Bourgeois, als wenn es aus falsch und Bürger zusammen gesetzet sey, wie aus einer Franz. Urkunde Kaiser Heinrichs von 1365 bey dem Du Fresne erhellet, welcher sich gleichfalls dadurch verleiten lassen, einen Pfahlbürger durch falsum burgensem zu erklären, ungeachtet diese Benennung augenscheinlich von den Bann- und Gerichtspfählen hergenommen ist. In einigen alten Urkunden heißen sie auch Pflugbürger, ohne Zweifel, so fern sie in den Vorstädten wohneten, und sich von dem Ackerbaue nähreten.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 702.
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