Rauchhuhn, das

[970] Das Rauchhuhn, des -es, plur. die -hühner, in vielen Gegenden so wohl Ober- als Niederdeutschlandes, eine Benennung eines Zinshuhnes, welches die Unterthanen theils zur Erkenntniß[970] des Eigenthumrechtes an den Grundherren, theils aber auch als eine Abgabe an die Pfarrer und Schuldiener zu gewisser Zeit im Jahre entrichten müssen. Die Wortforscher so wohl als die Rechtslehrer haben sich mit der buchstäblichen Bedeutung dieses Wortes viel zu schaffen gemacht, und einige ihrer Ableitungen sind lächerlich genug, um hier übergangen zu werden. Ich will daher nur die zwey wahrscheinlichsten anführen. 1) Einige leiten dieses Wort von dem Hauptworte Rauch ab, so fern dasselbe in vielen Gegenden noch einen Rauchfang, oder eine Feuermauer, und in weiterer Bedeutung eine Feuerstätte bedeutet, S. der Rauch 2 4). Und diesen kommt das zu Statten, daß die Rauchhühner wirklich in vielen Gegenden von den Feuerstätten gegeben werden, ja wohl überall ein Zins sind, der allein auf der Feuerstätte, d.i. auf dem Wohnhause, haftet. So muß zu Oberstadt im Hennebergischen jedes Haus dem Pfarrer jährlich ein Rauchhuhn zinsen, und in dieser Abgabe ist auch derjenige verpflichtet, welcher ein neues Haus auf einer vorher wüsten Stelle bauet, indem er von der Zeit an, da der erste Rauch von seinem Herde in die Höhe steiget, das Rauchhuhn geben muß. Und in so fern scheinet das Hauptwort Rauch, für Feuerstätte, hier allerdings zum Grunde zu liegen; zumahl, da es auch in einer Urkunde von 1360 in Gerckens Diplomat. Th. 1, S. 338 durch pullus domesticus übersetzt wird. 2) Andere leiten es von rauch, befiedert, ab, und behaupten, daß es eigentlich ein lebendiges, noch ungeschlachtetes und ungerupftes Huhn bedeute, und einem geschlachteten entgegen gesetzt werde. Auch diese Ableitung hat ihre Wahrscheinlichkeit, indem die Rauchhühner wirklich in lebendigen Hühnern bestehen, und daher auch in den Lateinischen Urkunden der mittlern Zeiten Gallinae plumesae, plumeae, oder in plumis, zum Unterschiede von den Gallinis nudis, heißen. Auf den letzten Beweis darf man indessen nicht zu viel bauen, indem er eigentlich nur die etymologischen Kenntnisse des Concipienten der Urkunde beweiset, weil man eben so viele Beyspiele anführen kann, da diese Hühner Gallinae fumosae genannt werden. Es ist indessen möglich, daß nach Maßgebung der verschiedenen Gegenden und Umstände, welche dabey in Betrachtung gezogen werden müssen, beyde Ableitungen Statt finden können. Nieders. Rookhohn und verderbt Rokum. S. auch Rauchpfennig. Übrigens werden diese Zinshühner nach Beschaffenheit der Zeit, zu welcher sie entrichtet werden müssen, auch Herbsthühner, Pfingsthühner, Sommerhühner und Fastnachtshühner genannt. So fern sie zur Erkenntniß des Obereigenthumsrechtes gegeben werden, heißen sie an einigen Orten auch Haupthühner und Leibhühner, und verderbt Lauberhühner.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 970-971.
Lizenz:
Faksimiles:
970 | 971
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika