Recken

[1010] Rêcken, verb. reg. act. 1) Ausdehnen; doch gemeiniglich nur im gemeinen Leben. Das Leder recken. Einen Verbrecher auf der Folterbank recken. Sich recken, in der niedrigen Sprechart, für sich dehnen. 2) Für strecken, in welcher Bedeutung es auch zuweilen in der anständigen Schreibart gebraucht wird. Und Aaron reckte seine Hand über die Wasser, 2 Mos. 8, 6. Und Mose reckte seine Hand gen Himmel, Kap. 10, 22. Und der König reckte den güldnen Scepter in seiner Hand gegen Esther, Esth. 5, 2; wofür man jetzt doch lieber ein anderes Zeitwort gebrauchen würde. Gott recket seine Hand aus über das Volk, Es. 5, 25.


Des Meeres Bewohner

Recken ihr Haupt aus der Fluth, die frühe Sonne zu grüßen,

Zach.


Den Kopf in die Höhe recken, Nieders. reckhalsen. Ob es gleich in dieser Bedeutung ohne Bedenken auch in der anständigen Sprechart gebraucht wird, so klebt demselben doch immer noch ein verächtlicher Nebenbegriff an, welchen das in vielen Fällen gleichbedeutende strecken nicht hat. Daher das Recken.

Anm. Bey dem Notker recchan, bey dem Ottfried reken, im Nieders. recken, bey dem Ulphilas raikjan, im Schwed. räcka, im Angels. raecan, im Isländ. reikia. Es ist, wie aus dem verdoppelten k erhellet, das Intensivum von reichen, Nieders. reken, und wird von unsern alten Oberdeutschen Schriftstellern auch für reichen gebraucht; then mund irreken, den[1010] Mund hinreichen, Ottfried. Im Hebr. ist רקע ausdehnen, אר# verlängern, und ארך die Länge. Das Nieders. trecken und Hochdeutsche strecken, sind durch Vorlaute daraus gebildet. Siehe Reich und Reichen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1010-1011.
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