Reitz, der

[1079] Der Reitz, des -es, plur. die -e, von dem Zeitworte reitzen, dasjenige an einem Dinge, was sinnliche Begierden in uns erwecket, wo es doch nur in engerer Bedeutung üblich ist, von demjenigen, was einen lebhaften Grad angenehmer Empfindungen in uns hervor bringet, da denn Reitz ein stärkerer Grad der Anmuth ist; ingleichen subjective, diese angenehme Empfindung selbst. Die sanften Reitze des Landes. O Einbildung, du hast alle Reitze der Wirklichkeit! Das hat für mich nicht mehr den Reitz der Neuheit. Den Reitz der Liebe fühlen, wo es subjective die lebhafte angenehme Empfindung selbst bedeutet. In der engsten Bedeutung, dasjenige an Personen, was einen lebhaften Grad des sinnlichen Vergnügens erreget, und nicht bloß in der körperlichen Schönheit bestehet. Schönheit ist nicht allemahl Reitz, und Reitz findet oft auch ohne Schönheit Statt. Gemeine Liebhaber messen ihre Beständigkeit nach der Dauer der Reitze ihrer Geliebten ab. Es ist ein mißliches Ding um unsere Reitze. Im Herbste deines Lebens, wenn jeder Reitz verblühet.

Anm. Dieses Wort scheinet neuern Ursprunges zu seyn, wenigstens kommt es bey den ältern Schriftstellern nicht vor, wie es denn auch in dem Frisch fehlet. Lessing erkläret Reitz durch Schönheit in der Bewegung, welches nicht nur mit der engern Bedeutung überein kommt, sondern auch der Abstammung gemäß ist, so fern reitzen das Intensivum von reiten, bewegen, ist. Was man in den schönen Künsten mit einem ausländischen Worte Grazie nennet, ist auch nichts anders als Reitz in der engern Bedeutung, und aus den Anmerkungen zu den beyden Zeitwörtern reitzen wird erhellen, daß das Lat. Gratia selbst mit Reitz und reitzen Eines Geschlechtes ist.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1079.
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