Sahl

[1248] Sahl, Saal oder Sal, ein Wort, welches in einem sehr weiten Umfange der Bedeutung, oder vielmehr in mehrern verschiedenen Bedeutungen üblich ist, die aber doch insgesammt gewisse Veränderungen bezeichnen, welche mit einem ähnlichen und übereinstimmigen Laute verbunden sind, und von denen ich hier überhaupt etwas sagen will, damit man die Verwandtschaft derselben mit Einem Blicke übersehen könne. Ich nehme dieses Wort hier in seinem weitesten Umfange und mit den gewöhnlichen Veränderungen, Sahl, Sal, Sel, Siel, Sol, Schal u.s.f. Zahl, Zel, Ziel u.s.f. wo das härtere Z allenfalls eine Intension bezeichnet,[1248] Thal, Theil, weil t und s immer mit einander abwechseln, ingleichen mit den intensiven Endlauten Sall, Sell, Soll, Schall, Toll u.s.f.

Sahl und das dazu gehörige Zeitwort sahlen ist, so wie ursprünglich alle Wörter, eine unmittelbare Nachahmung eines Lautes, und da dieser Laut mit mehrern verschiedenen Veränderungen verbunden ist, so ist dieses auch der erste Grund der Verschiedenheit in der Bedeutung. Es bezeichnet oder ahmet nach, 1. Einen gewissen eigenthümlichen Laut überhaupt, wie die Intensiva Schall, schallen, schellen. 2. Besonders,

1) Den Laut der menschlichen Stimme und verschiedene Arten derselben; daher das alte sellan, sagen, sprechen, zählen, erzählen, Psalm, Salm, thalen, schelten, das Nieders. schelen, zanken, schälen, plaudern, Skalde, שאל, bitten, vielleicht auch solch und selbst.

2) Den Laut unarticulirter Bewegungen, und diese Bewegungen selbst.

a) Gewisse starke heftige Bewegungen.

(a) Eigentlich, wie salire, saltare, salax, Silanus, der Springbrunnen, das Nieders. sich fühlen, das veraltete sal, schnell, das in der Monseeischen Glosse befindliche zellan weben, das Griech. σαλευω, ich bewege, das Schwed. såll, ein Sieb, und sålla, sieben, toll, das Holländ. sollen, heftig hinwerfen, u.s.f. Daher denn,

(b) Folgende figürliche Bedeutungen stammen. (1) Des Lichts, wie Sol, Silber, Sil, gelbe Erde, Sulphur, Schwefel, vielleicht auch Salmo, der Salm, wegen seiner glänzenden Schuppen, wenn er nicht wegen seiner heftigen Bewegungen, und besonders wegen seiner Gabe zu springen benannt worden. (2) Des Sehens, entweder als eine unmittelbare Figur des Lichtes, oder auch der Bewegung, wie zielen. (3) Der Seele, deren Nahme in allen Sprachen eine Figur des Windes, des Athems, der Bewegung ist. (4) Der Zeugung, wie zielen, erzielen. (5) Gewisser Arten scharfer, heftiger Empfindungen; daher Salz, Sal, Salat, das alte Zala, Gefahr, das Pohln. Zal, Betrübniß, Schmerz, Solicitudo, Bekümmerniß, schal, abgeschmackt.

b) Besonders des fließenden Wassers; daher der Meißner schollen, sein Wasser lassen, das Nieders. schälen, spülen, das alte Europäische Sal, das Meer, Lat. Salum, das Meer, das Niederdeutsche Siel, ein Canal, das Malab. Salam, Wasser, und so ferner.

c) Ingleichen der schlüpfrigen Bewegung, wie das Holländ. sullen, auf dem Eise gleiten. Daher die Figuren des Fettes, der Schlüpfrigkeit, des Kothes; wie Salbe, Saliva, das alte Oberdeutsche sal, schmutzig, das Nieders. sählen, sich beschmutzen.

d) Gewisser langsamer Bewegungen, wie das Schwed. Sele, ein sanfter Fluß. Daher die Figuren selten, solus, das Nieders. schelen, fehlen, שלום, Friede, Ruhe, silere, schweigen, solari, trösten, wie trösten von Rast, Ruhe, Schild; welche aber auch Figuren anderer Bedeutungen seyn können. Ingleichen der Begriff des Aufenthaltes, Exsul, das alte Sal, Wohnung, Aufenthalt, das Nieders. schillern, warten.

e) Gewisser Bewegungen, ohne Rücksicht auf die Stärke und Schwäche des damit verbundenen Lautes, oder des Grades ihrer eigenen Heftigkeit.

(a) Überhaupt. Daher das alte salen, sellan, übergeben, Sahl, Sal, Übergabe; das Hebr. שלפ, heraus ziehen, Schwed. sala, theilen, und unser Theil und theilen selbst, solvere, Nieders. schelen, unterschieden seyn, Schwed. Sal, ein Theil an den Strafgefällen, und nach allerley Figuren Sold, Schuld, sollen, Zoll.[1249]

(b) Insbesondere nach Verschiedenheit der Richtungen.

(1) Eine Bewegung und Ausdehnung in die Länge, ohne beträchtliche Breite und Dicke. Daher Seil, Sille, das Nieders. Siehle, das Pferdegeschirr, Zeile, Sahl, das Äußerste eines Dinges, in Sahlband, Sahlleiste, das Nieders. Suhl, Sugel, eine Ahle, Schilf, welches aber auch eine unmittelbare Beziehung auf die rauschende Bewegung haben kann, Schwed. Söl, Schilf.

(2) In die Breite, wie das Nieders. Schelf und Diehle, ein Bret, die Scholle. Daher der Begriff der Ebene; Solum, der Boden.

(3) In die Höhe, wie Säule, Söller, Schulter, שלל, erheben, Salebra, ein holperiger Weg, solox, grob, rauh, Solium, Thron.

(4) In die Tiefe, wie Sohle, Solea, Thal, Solum. (5) Nach allen Seiten; daher die Figur der Biegsamkeit, wie Salix, Weide, Siler, Bachweide, Sahlweide.

(6) In die Weite, mit den Bedeutungen des hohlen Raumes; daher Saal, Aula, Halle, Zelle, Cella, Zille, ein Kahn, של, ein Korb, Schale, Siliqua. Daher die Figur der Bedeutung, Schale, und vielleicht auch das Hebr. שלום, Friede.

(7) Nach allen Richtungen; daher die figürlichen Bedeutungen der Menge, der Zahl, wie Ottfrieds Zala, Zahl, vielleicht auch Saltus, Wald, Silva. Ingleichen der Verbindung, wie sälla, Schwed. versammeln, Gesell. Wie auch der Masse, Erdscholle, Eisscholle, solidus, wovon die Bedeutung der ganzen unverletzten Beschaffenheit wieder eine Figur ist; daher, Salus, salvus, selig. Auf ähnliche Art bedeutet heil eigentlich ganz, unverletzt, und figürlich Wohlstand, Wohlfahrt. Zur Bedeutung der Masse scheinet auch die Ableitungssylbe -sal, ein Ding, Subject, zu gehören, wenn es nicht, wie Ding und Sache, eine Figur der menschlichen Stimme ist. Mit mehrerer Gewißheit ist die Härte eine Figur der Masse, der Ausdehnung, vielleicht auch des Schalles, wie Silex, ein Kieselstein.

(8) Nach einer schiefen Richtung, wie schäl, schielen.

(9) In die Krümme; daher Nieders. schell, krumm. Und so noch andere mehr.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1248-1250.
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