Sal

[1253] Sal, eine Ableitungssylbe für Hauptwörter, welche zu dem Hauptworte Sahl gehöret, aber doch nicht überall einerley Bedeutung hat. 1) In dem Oberdeutschen Rinnsal, das Bett eines Flusses, ist es ohne Zweifel noch das alte Sahl, ein Fluß, Canal, Rihne. S. Sahl. 2) In dem veralteten Fluchtsal, welches in dem Sachsenspiegel vorkommt, und die Strafe wegen einer pflichtwidrigen Flucht bedeutet, gehöret es zu dem alten Sahl, Gabe, sahlen, geben, zahlen, Sold u.s.f. zumahl da Sala auch im Schwedischen noch die Strafe bedeutet. Das gleichfalls im Sachsenspiegel befindliche Ursal, was die Frau nach des Mannes Tode zum voraus bekommt, gehöret gleichfalls zu der Bedeutung der Gabe und des Gebens. 3) In einigen noch gangbaren Hauptwörtern ist die Bedeutung hingegen nicht so klar; z.B. Labsal, Scheusal, Schicksal, Drangsal und Trübsal, wozu noch die veralteten Irrsal, Irrthum, Zwangsal und Achtsal, Elend, u. a. m. gehören. Wachter leitete es hier sehr gezwungen von dem veralteten Sal, Gefahr, ab, Frisch aber und Schilter nicht viel besser von Sahl, Gabe, und sallen, geben. Alle drey kannten das Wort Sahl seinem ganzen Umfange nach nicht, und blieben daher an den ihnen bekannten Bedeutungen hängen. Es scheinet, daß man hier eine doppelte Bedeutung annehmen müsse, welche noch dazu durch das Geschlecht dieser Wörter unterstützet wird. In Labsal, Scheusal und Schicksal bedeutet es ein Subject, ein Ding, von welchem die erste Hälfte der Wörter etwas behauptet; Labsal, ein Ding, welches labet, Scheusal, ein Ding, welches Abscheu erwecket, Schicksal, was uns zugeschicket wird, und diese Wörter sind gemeiniglich ungewissen, in einigen Gegenden aber auch männlichen Geschlechtes. Diese Bedeutung fließt aus dem Worte Sahl, so fern es eine Masse, eine Ausdehnung nach allen Richtungen bedeutet. In Trübsal und Drangsal hingegen scheinet es zunächst Abstracta zu bilden, und den Zustand zu bezeichnen, daher sie auch weiblichen Geschlechtes sind. Nach einer sehr gewöhnlichen Figur können sie auch, wie alle Abstracta, wieder Concreta bezeichnen, da denn die vorige Bedeutung eines Dinges, Subjectes, wieder mit eintritt. S. die Ableitungssylbe -selig, wo noch einiges davon vorkommen wird.

Es könnte scheinen, daß diese Endsylbe in manchen Wörtern in -sel verändert worden; Mengsel, Höchsel, Fegsel, Schabsel, Überbleibsel, Räthsel, Einschiebsel u.s.f. Allein, wenn man diese Endsylbe genauer untersucht, so scheinet sie nicht damit verwandt zu seyn. -Sal ist allemahl lang, -sel aber kurz. Über dieß lauten alle die Wörter, welche im Hochdeutschen -sel haben, im Niederdeutschen -els, wie Mengels, Fegels, Schabels u.s.f. Es scheinet daher hier die Ableitungssylbe -el zu seyn, welche hier nur das s euphonicum vor sich genommen. Im Dänischen ist Ängstelse Drangsal. Wer unser -sal eben daher leiten wollte, würde vielleicht auch nicht irren.

Übrigens hat man diese Endsylbe jederzeit -sal geschrieben, und die Neuerung, das gedehnte a durch aa oder ah zu schreiben, hat sich nicht bis auf dieselbe erstreckt.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1253.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: