Schelm (3), der

[1410] 3. Der Schêlm, des -es, plur. die -e, ein auch noch im Hochdeutschen gangbares Wort, welches daselbst in einem doppelten Verstande vorkommt. 1) In einem sehr harten, da man unter Schelm eigentlich einen seiner Verbrechen wegen ehrlos gemachten Menschen verstehet. Jemanden zum Schelm machen, ihn mit gewissen Feyerlichkeiten ehrlos machen. Ihn als einen Schelm wegjagen. Bey den Handwerkern ist der Mißbrauch eingerissen, jeden, der seine wahre oder eingebildete Schuldigkeit nicht beobachtet, für einen Schelm und Hundsfott, für einen ehrlosen Menschen zu halten. Ein Schelm der weggehet! Indessen hat es im gemeinen Sprachgebrauche viel von seiner ersten Härte verloren, wenigstens wird es nicht mehr für so ehrenrührig gehalten als andere Wörter dieser Art. In weiterer Bedeutung ist Schelm ein Mensch, der sich solcher Vergehungen schuldig macht, welche in der bürgerlichen Gesellschaft die Ehrlosigkeit mit sich führen, besonders ein Dieb, und grober Betrieger. Zum Schelme werden, zum Betrieger; ingleichen in der harten Sprechart,[1410] für bankerott werden. Wie ein Schelm handeln, davon gehen.


Des Schelmen arger Griff, damit er uns will fangen,

Opitz.


Damit entfährt der Geist dem losen Mammonsknechte,

Dem jeder um das Grab mit einem Schelmen ziert,

Canitz.


Diese Abänderung des Schelmen u.s.f. ist in der Oberdeutschen Mundart üblicher als in der Hochdeutschen. 2) In gelinderer Bedeutung ist Schelm, so wie Schalk, eine Person, welche einem andern bey einem unschuldig scheinenden äußern Verhalten zu schaden sucht, und in noch gelinderer Bedeutung, welche leichtfertige Absichten hinter einem äußern unschuldig scheinenden Betragen zu verbergen weiß. Ein loser, leichtfertiger Schelm. Einen Schelm hinter den Ohren haben. Je ärger Schelm, je besser Glück. Ein armer Schelm, in noch weiterer Bedeutung, ein armer mitleidswürdiger Mensch.

Anm. Im Schwed. und Isländ. Skälm, im Engl. Skellum, im Pohln. Szelma. Frisch, Wachter, Dieterich von Stade, Ihre u. a. m. sehen dieses Wort mit Eckardten als eine Figur von Schelm, Aas, an; allein, man wird wohl nicht leicht ein Beyspiel finden, daß in einem Worte von einer so bestimmten Bedeutung, wie Schelm ist, eine so unbestimmte Anspielung zum Grunde liegen sollte. Da es ausgemacht ist, daß von zwey End-Consonanten der letzte allemahl ein Endlaut ist, welcher das abgeleitete Wort näher bestimmt, so kommt es hier nur auf die Sylbe Schel an, welche, da die Selbstlauter unaufhörlich abwechseln, mit Schal gleichbedeutend ist. Schalk und Schelm sind also nur in den Endlauten unterschieden, und stammen beyde von einer veralteten Bedeutung des Zeitwortes schalen oder schelen, schellen, ab. Welches diese Bedeutung unter den vielen ist, welche dieses Wort leidet, läßt sich nur muthmaßlich bestimmen, weil uns die Genealogie dieses Wortes fehlet. Es kann die geschwinde betrügliche Bewegung seyn, welche sich besonders zu der zweyten Bedeutung schickt, da sich die erste durch eine ehrlose Flucht erklären läßt. Bey den Krainerischen Wenden ist schalam ich scherze. Es können aber auch das Lat. Scelus und Griech. σκελλος mit unserm Schelm verwandt seyn, da denn auch schel und das alte schelen, fehlen, mangeln, mit zur Verwandtschaft gezogen werden können. Noch im 16ten Jahrh. bedeutete schelmen verstümmeln. So sagt der bekannte Dichter, Paul Rephuhn, der Übersetzer habe sein Original nicht geschelmet und gestimmelt. Daß dieses Wort ehedem noch andere anständige Bedeutungen gehabt haben müsse, erhellet aus der ehemahligen adeligen Familie der Schelme. Vielleicht hat es, so wie Schalk, ehedem auch einen Diener bedeutet. S. Schalk.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1410-1411.
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