Schenken

[1416] Schênken, verb. reg. act. welches noch in einer doppelten Hauptbedeutung vorkommt.

1. Des Gießens eines flüssigen Körpers aus einer Bouteille, Flasche, Kanne u.s.f. in ein kleineres Gefäß. 1) Eigentlich, wo es doch nur von eigentlichen Getränken gebraucht wird, sie aus einem größern Gefäße in das Trinkgefäß gießen. Wein aus der Kanne in den Becher schenken. Das Glas, den Becher, die Tasse zu voll schenken. Besonders in dem zusammen gesetzten einschenken. Im Schwed. lautet es in dieser Bedeutung gleichfalls skänka, im Franz. chinquer. Es scheinet, daß es ehedem gießen überhaupt bedeutet habe, denn bey dem Notker ist scangan vergießen, und in der Monseeischen Glosse scanchan gießen. 2) In weiterer und figürlicher Bedeutung. (a) Das Getränk darreichen. So schenkte ehedem derjenige, welcher einem andern das Getränk in das Trinkgeschirr goß und es demselben darreichte, S. Schenk. Trinket des Weins, den ich schenke, Sprichw. 9, 5. Der Herr hat einen Becher in der Hand – und schenket aus demselben, Ps. 75, 9. Jetzt ist es in dieser Bedeutung nur noch unter dem großen Haufen üblich, wo man einem schenket, oder ihm eines schenket, wenn man ihm zur Bewillkommung oder aus Freundschaft unentgeldlich einen Trunk darreichet. In dem alten Siegesliede auf den König Ludwig schon skankan, im Angels. scencan. Im Nieders. ist daher beschenken und im Dänischen beskiänka berauschen. (b) Das Getränk im Kleinen verkaufen. Wein, Bier, Branntwein, Kaffeh, Chocolate, Meth u.s.f. schenken. Hier schenkt man guten Wein. In einigen Gegenden Obersachsens schenket man auch Salz, wenn man dasselbe in[1416] kleinen Quantitäten verkaufet. Derjenige, welcher auf solche Art Getränk im Kleinen verkauft, heißt der Schenk, der Ort, wo selbiges geschiehet, die Schenke, und der Verkauf selbst und das Befugniß dazu, der Schank, S. diese Wörter.

2. Unentgeldlich geben, das Eigenthum einer Sache umsonst übertragen, mit der dritten Endung der Person, und der vierten der Sache. 1) Eigentlich. Einem etwas schenken. Ich habe es ihm geschenkt. Es ist mir geschenket worden. Ingleichen in weiterer Bedeutung, jemanden sein Herz, seine Huld schenken. Schenken sie mir einen gütigen Blick. Die Sache, welche geschenket wird, heißt ein Geschenk, in einigen Gegenden auch ein Schank, eine Schenkung oder Schankung, welche aber im Hochdeutschen ungewöhnlich sind. Dahin gehören auch unter den Handwerkern die geschenkten Handwerke, worunter man im weitern Verstande diejenigen Handwerke verstehet, deren Gesellen auf ihren Wanderschaften von ihren Handwerksgenossen ein Geschenk erhalten. Im engsten und gewöhnlichsten Verstande ist ein geschenktes Handwerk ein altes, freyes, im ganzen Römischen Reiche privilegirtes Handwerk, dessen Gesellen aller Orten entweder Arbeit oder doch ein freyes Geschenk erhalten. Beydes im Gegensatze der ungeschenkten. Der Gebrauch des Mittelwortes ist hier freylich hart und ungewöhnlich. 2) Freygebig erlassen. Jemanden das Leben schenken, ihm das Leben, welches man ihm nehmen konnte, aus wahrer oder vorgegebener Großmuth lassen. Jemanden eine Schuld schenken, ihm die Strafe schenken, unentgeldlich erlassen. Er soll dir geschenkt seyn, die Ahndung, die Strafe soll dir erlassen seyn. So auch das Schenken und die Schenkung, besonders in der zweyten Hauptbedeutung.

Anm. In einigen gemeinen Sprecharten lautet dieses Zeitwort im Imperf. und im Mittelworte, schonkte, geschonken, in andern schankte, geschankt. Beyde rühren von einer veralteten Form des ganzen Zeitwortes her. Bey den ältesten Oberdeutschen Schriftstellern lautet es beständig schanken für schenken. Wachter bemerket mit Recht, daß die zweyte Hauptbedeutung bey unsern alten Schriftstellern nicht vorkomme, woraus aber noch nicht folgt, daß sie neuern Ursprunges ist, und noch weniger, daß sie eine Figur der ersten ist, wie er, Frisch und andere behaupten, weil eine solche Figur zu hart und ungewöhnlich seyn würde. Schenken kann vielmehr ehedem geben überhaupt bedeutet haben, und da können alle heutige Bedeutungen als besondere Arten derselben angesehen werden. Oder, da alle Zeitwörter eigentlich Onomatopöien sind, und daher ein Wort sehr häufig ganz verschiedene Handlungen bedeutet, wenn nur der Laut, unter welchem sie in das Gehör fallen, einerley oder doch ähnlich ist, so kann in der ersten Bedeutung der Laut des Gießens, und in der zweyten, der mit dem Geben verbundenen Bewegung, zum Grunde liegen. Auch in Ansehung der Form dieses Zeitwortes findet ein doppelter Fall Statt. Das n kann der nicht ungewöhnliche müßige Begleiter der Gaumenlaute seyn, und alsdann würde der Stamm Schach, Schak heißen; oder das -ken kann auch die nicht ungewöhnliche intensive Ableitungssylbe seyn, und alsdann hätte man nur auf die Sylbe Schan, Schen zu sehen. Die älteste Spur von diesem Worte findet sich bey dem Ottfried, wo scancan einschenken ist. Keros skangames, laßt uns fortfahren, ist ohne Zweifel das mit dem Oberdeutschen Zischworte verstärkte gehen, für gangames.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1416-1417.
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