Schmarotzer, der

[1557] Der Schmarotzer, des -s, plur. ut nom. sing. derjenige, welcher sich ungebethen da einfindet, wo er umsonst essen oder schmausen kann, und in engerer Bedeutung, welcher eine Fertigkeit in dieser Art des Zudringens besitzet.


Schmarotzer liefen schneller,

Und folgeten entzückt der Harmonie der Teller,

Zach.


Man gebraucht es oft von beyden Geschlechtern, obgleich im weiblichen auch Schmarotzerinn nicht ungewöhnlich ist. Schmarotzerisch und Schmarotzerey kommen nur in den niedrigen Sprecharten vor.

[1557] Anm. In einigen Mundarten schmarutzen und Schmarutzer, im Schwed. småråtsa. Das Wort ist, so wie es da ist, dunkel, daher auch alle Ableitungen, welche man davon hat, seltsam und gezwungen sind, z.B. von dem Schwed. små, klein, und råtta, Ratze, eine Hausmaus, die gemeiniglich auf anderer Kosten lebt, Frischens Ableitung von schmürzen, dem Geschmacke und Geruche einer gebratenen Speise, u. a. m. Im Niederdeutschen ist dieses Wort, so viel ich weiß, nicht bekannt. Die gleichbedeutenden Wörter sind oft nicht deutlicher, wie z.B. das Niedersächsische auf der Garbe herum reiten, wo Garbe vermuthlich das alte Gahre, die Betteley, ist; im Hochdeutschen sagt man dafür, auf der Wurst herum reiten, auf dem Lande von einem zum andern schmarotzen gehen. Oft sind sie von einem besondern, gemeiniglich komischen oder verächtlichen Umstande hergeleitet, wie das Osnabrück. supsölnken, schmarotzen, das Nieders. Sökedrunk, Pannlicker, Pottlicker, das Hochdeutsche Tellerlecker, Kaisersbergs Pfefferlecker, das Oberdeutsche Lichtputzer, das mittlere Lat. Buccellarius, Buccio, das Griech. und Lat. Parasitus, u.s.f. Da die Schmarotzer vom Handwerke gemeiniglich eine Art von Schmeichler sind, welche sich durch Schmeicheley an fremden Tafeln forthelfen, so könnte man von dem Osnabrück. Schmeertasche, wenigstens in Ansehung der ersten Hälfte des Wortes, einige Aufklärung erwarten, welches wohl nicht von Schmer, schmieren, sondern von dem alten bey dem Kero noch befindlichen smeron, lachen, lächeln, abstammet. Doch man kann sie näher haben, diese Aufklärung. Bey den Schwäbischen Dichtern kommt Snarrenzere von einem Schmarotzer vor.


In brechte ein meister bas ze mere

Danne tusend Snarrenzere,

Walther von der Vogelweide.


Das Wort kann nicht wohl falsch gelesen oder geschrieben seyn, weil es in der Manessischen Sammlung mehrmahls vorkommt. Daß nun Schmarotzer aus diesem Schnarrenzere, durch den langen und häufigen Gebrauch in dem Munde des großen Haufens, verderbt worden, zumahl da m und n leicht in einander übergehen, ist sehr wahrscheinlich. Allein die Verständlichkeit unsers Schmarotzer gewinnet dadurch nur Einen Grad der Deutlichkeit mehr, nähmlich in Ansehung der letzten Hälfte, welche unstreitig von zehren ist, ein Schnarrenzehrer. Die erste Hälfte bleibt so dunkel wie zuvor, ob sich gleich hier und da ein Schimmer zeiget, der mit der Zeit einiges Licht verspricht. Man sagt im gemeinen Leben, etwas schnurren, so wohl, es mausen, listig stehlen, als auch, es auf eine vertrauliche Art erbetteln; im Nieders. ist snoren faulenzen, und vielleicht stammet von dem letztern unsere Hochdeutsche R.A. von der Schnur zehren her, von dem ersparten Gelde müßig leben. Noch eine andere Ableitung biethet das bey dem Willeram befindliche Snare, eine Saite, ein Saiten-Instrument an, welches unser Schnur ist, und da würde ein Schnarrenzehrer eigentlich ein solcher seyn, der mit seiner Geige im Lande herum reiset, um sich vermittelst derselben den freyen Zutritt an den Tafeln anderer zu verschaffen; eine Gewohnheit, welche zu den Zeiten der Schwäbischen Dichter sehr häufig war, und nicht wenig dazu beytrug, daß sie und die Dichtkunst nach und nach verächtlich wurden.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1557-1558.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: