Schnüren

[1612] Schnüren, verb. reg. welches in doppelter Gestalt vorkommt.

I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, wo es nur im Bergbaue üblich ist, wo zwey Zechen mit einander schnüren, wenn sie mit einander gränzen, nahe an einander liegen; vermuthlich auch als eine von der Meßschnur, womit ihre Gränzen bestimmt werden, hergeleitete Figur. S. Schnurnachbar.

II. Als ein Activum, mit einer Schnur befestigen, auf eine Schnur reihen, mit der Schnur zeichnen u.s.f. 1) Einem Dinge die Schnur anlegen; eine nur in einigen Fällen übliche Bedeutung. Eine Wage schnüren, sie mit Schnüren versehen. Ein Thier männlichen Geschlechtes schnüren, ihm die Hoden mit einer Schnur abbinden; eine Art des Castrirens. Einen Missethäter schnüren, eine Art der Tortur, da ihm schwache Schnüre um die Arme geleget und selbige fest zugezogen werden. Das Schnüren mit vollen Banden, der höchste Grad dieser Tortur. Nicht so schmerzhaft ist in einem andern Verstande das bey einigen Arbeitsleuten übliche Schnüren der Zuschauer oder Fremden, wenn man sie mit einer Schnur umgiebet, oder eine Schnur vor den Ausgang spannet, um ein Trinkgeld von ihnen zu erhalten, S. Anbinden. Vermuthlich ist es eine Figur dieses Gebrauches, wenn schnüren oft für prellen und schnellen gebraucht wird, d.i. jemanden mit List oder unter einem falschen Vorwande um sein Geld bringen, wenn es hier nicht vielmehr zu dem Nieders. snar, geschwinde, schnell, gehöret, und so wie schnellen eine Figur der Geschwindigkeit ist. 2) Mit einer durchgezogenen Schnur befestigen. Den Mantelsack auf das Pferd schnüren. Besonders in den Zusammensetzungen abschnüren, anschnüren, aufschnüren u.s.f. Die Schnürbrust lockerer schnüren. Daher in engerer Bedeutung sich schnüren bey dem andern Geschlechte so viel ist, als eine Schnürbrust oder ein Schnürleib tragen; geschnürt gehen. Sich lockerer, sich fester schnüren, die Schnürbrust, das Schnürleib lockerer oder fester schnüren. Ein geschnürter Styl, eine Art des gezwungenen Styls, der gleichsam so steif ist, wie ein geschnürtes Frauenzimmer. 3) Mit der Richtschnur zeichnen. So schnüren die Zimmerleute, Mäurer u.s.f. wenn sie gerade Linien vermittelst einer gefärbten Schnur machen. In einigen Zusammensetzungen, z.B. abschnüren, bedeutet es zuweilen auch, mit einer Schnur abmessen. 4) Auf eine Schnur reihen; eine am häufigsten in Niedersachsen übliche Bedeutung. Doch schnüret man auch in Obersachsen die Tobaksblätter, wenn man sie auf eine Schnur reihet. So auch das Schnüren.

Anm. Im Nieders. snören und snirren, im Schwed. snöra. Es scheinet unmittelbar von Schnur gebildet zu seyn.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1612-1613.
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