Schrecken, der

[1648] Der Schrêcken, des -s, plur. ut nom. sing. von der figürlichen Bedeutung des vorigen Zeitwortes. 1) Von dem veralteten Neutro schrecken. Die heftige Erschütterung, und in weiterer Bedeutung, die heftige unangenehme Empfindung bey dem plötzlichen Anblicke einer unerwarteten Sache, besonders bey dem plötzlichen Anblicke eines unvermutheten Übels. In Schrecken gerathen, erschrecken. Von einem Schrecken befallen oder überfallen werden, plötzlich erschrecken. Jemanden einen Schrecken machen, verursachen, ihn in Schrecken setzen; im gemeinen Leben, ihm einen Schrecken einjagen. Vor Schrecken zusammen fahren. Sich von seinem Schrecken wieder erhohlen. Der Schrecken ist mir in die Glieder gefahren, geschlagen, sagt man, wenn der Schrecken üble Folgen auf den Körper zurück läßt. Dem Tode ohne Schrecken entgegen gehen. Die biblischen R.A. zu Schrecken kommen, Schrecken kommt sie an u.s.f. sind im Hochdeutschen ungewöhnlich. Am häufigsten wird der Schrecken durch den plötzlichen Anblick eines unvermutheten Übels erregt; allein zuweilen auch durch den plötzlichen Anblick eines unerwarteten großen Gutes.


Welch freudig Schrecken nimmt mich ein!

Gell.


In dem gewöhnlichsten Sprachgebrauche ist der Plural nicht üblich; allein die höhere Schreibart gebraucht ihn sehr häufig.


Und Schrecken strömen über,

Gell. Lied.


Denk an den Tod zur Zeit der Schrecken,

ebend.


2) Von dem Activo schrecken, diejenige Handlug, da man andern Schrecken verursacht; eine nur zuweilen in der höhern Schreibart übliche Bedeutung. Das Schrecken des Königs ist wie das Brüllen eines jungen Löwen, Sprichw. 20, 2. Dein Schrecken erschreckt mich, Hiob 13, 21. Wo es aber auch der bloße Infinitiv[1648] des Zeitwortes seyn kann, zumahl wenn es nach Oberdeutscher Art in dem ungewissen Geschlechte gebraucht wird. 3) Der Gegenstand des Schreckens, dasjenige, was uns erschreckt; eigentlich ohne Plural, in der höhern Schreibart aber auch mit demselben. Zum Schrecken will ich dich machen, Ezech. 26, 21; daß andere vor dir erschrecken sollen. Ein Herz, das seiner Sache gewiß ist, fürchtet sich vor keinem Schrecken, Sir. 22, 19. Die Schrecken des Schiffbruchs, Less.


Tod, wo sind nun deine Schrecken?

Gell. Lied.


Du kennst nicht halb die Schrecken meines Schicksals,

Schleg.


Daß Albion – das Schrecken der beraubten Oceane werde,

Ramler.


Anm. Die Endsylbe -en ist die Ableitungssylbe, welche ein Subject bezeichnet, und von manchen, aber unrichtig, in der ersten Endung des Singulars verbissen wird, der Schreck, die es doch in den folgenden Endungen nicht entbehren können; wenigstens hat noch niemand Schreck, Schreckes, Schrecke declinirt. Wenn dieses Wort der Infinitiv des Zeitwortes ist, so ist es ohne Ausnahme ungewissen Geschlechtes; das Schrecken der Kinder mit dem Popanz ist unvernünftig. Allein das eigentliche Hauptwort wird bald männlich, bald ungewiß gebraucht. Das ungewisse Geschlecht ist im Oberdeutschen am gangbarsten, kommt in Luthers Deutschen Bibel am häufigsten vor, und wird auch von manchen Hochdeutschen Schriftstellern in der höhern Schreibart gebraucht.


Das fürchterliche Schrecken

Steht an dem dunkeln Thor,

Zach.


Indessen ist in der gewöhnlichen Sprechart das männliche Geschlecht das gangbarste, welches auch die meisten übrigen mit der Endsylbe -en gemachten Hauptwörter haben, der Boden, Braten, Faden, Graben, Hopfen, Schaden, Magen, Segen, Nutzen u.s.f.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1648-1649.
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