Schuldig

[1676] Schuldig, adj. et adv. welches vermittelst der Ableitungssylbe -ig von dem Hauptworte Schuld abstammet, Schuld habend.

1. In der ersten Hauptbedeutung des Hauptwortes. 1) Eine Schuld, d.i. ein Verbrechen oder ein Vergehen, auf sich habend, im Gegensatze des unschuldig. So wohl absolute. Sich schuldig wissen, wissen, daß man ein Verbrechen, ein Vergehen begangen habe. Sich als schuldig angeben. Daher der Schuldige, im Gegensatze des Unschuldigen. Als auch mit Beyfügung der Sache, oder des Vergehens, welche alsdann in der zweyten Endung steht. Eines Verbrechens schuldig seyn. Einer Missethat schuldig seyn, 3 Mos. 5, 1, 17. Die Person oder Sache, an welcher man ein Verbrechen begehet, oder an welcher man sich versündiget, bekommt das Vorwort an, welche Verbindung doch nur noch in der Deutschen Bibel vorkommt. Ich bin schuldig an allen Seelen deines Vaters Hauses, 1 Sam. 22, 22. Der ist schuldig an dem Leibe und Blute des Herren, 1 Cor. 11, 27. 2) Um eines begangenen Verbrechens willen zur Erduldung einer Strafe verpflichtet, gleichfalls mit der zweyten Endung der Strafe; eine größten Theils veraltete Bedeutung. Des Todes schuldig seyn. Der ist des höllischen Feuers schuldig, Matth. 5, 22. Völlig veraltet sind die biblischen R.A. des Gerichts, des Raths schuldig seyn. 3) In der dritten Bedeutung der Ursache eines Übels ist es nicht gebräuchlich, indem man dafür entweder das Hauptwort Schuld adverbialiter gebraucht, oder sich anderer Ausdrücke bedienet. An eines Tode Schuld seyn, nicht schuldig. S. Schuld I, 2.

2. In der zweyten Hauptbedeutung des Hauptwortes. 1) Vermöge einer Pflicht zu etwas verbunden, in einer Pflicht gegründet. Du bist schuldig, mir zu gehorchen. Jemanden Gehorsam schuldig seyn. Die Pflicht, die ich meinem Nachfolger schuldig bin, drang mich. Vergiß nicht, wie viel Schonung du ihm schuldig bist. Die schuldige Achtung für sein Vaterland vergessen. Die Demuth erfreuet sich des Überflusses desto mehr, je weniger sie ihn als eine schuldige Belohnung ihres eigenen Werthes ansieht, Gell. In Westphalen sind Vollschuldige und Halbschuldige eine Art Leibeigener, S. diese Wörter. 2) Im engsten Verstande ist man schuldig, wenn man verbunden ist, einem andern Geld oder Geldes werth zu erstatten, wenn man eine Schuld auf sich hat. Jemanden zehen Thaler, zwanzig Scheffel Korn u.s.f. schuldig seyn. Bezahle, was du schuldig bist. Ingleichen absolute: jemanden schuldig seyn, und noch unbestimmter, schuldig seyn, viel schuldig seyn, Schulden, viele Schulden haben. Im weitesten Verstande sagt man oft, jemanden eine Antwort, eine Höflichkeit u.s.f. schuldig bleiben, sie nicht erwiedern, wenn gleich keine eigentliche Verbindlichkeit dazu vorhanden ist.

Anm. Schon bey dem Ottfried ist Sculdig, und bey dem Kero Scultika, der Schuldige, d.i. derjenige, welcher eines Vergehens schuldig ist. Der Comparativ und Superlativ sind von diesem Beyworte nicht üblich, außer daß man den Superlativ zuweilen wohl noch im Briefstyl gebraucht und sich des andern schuldigsten Diener, d.i. verbundensten, verpflichtetsten Diener unterschreibt, wofür aber doch auch lieber ein anderer Ausdruck gebraucht wird.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1676.
Lizenz:
Faksimiles:
Kategorien: