Schwer

[1743] Schwêr, -er, -ste, adj. et adv. 1. Im eigentlichen physischen Verstande ist schwer, 1) absolute und ohne alle Rücksicht auf die Vergleichung oder Empfindung, was ein Bestreben hat, sich senkrecht nach einem gewissen Mittelpuncte zu bewegen. In diesem Verstande sind alle Körper schwer, weil dieses Bestreben eine wesentliche Eigenschaft der Materie ist. Auch gebraucht man dieses Wort bey Bestimmung des Grades dieses Bestrebens, oder des Gewichtes. Ein Ding ist ein Gran, zwey Loth, vier Pfund, zehn Centner schwer, wenn es so viel wiegt. Bley ist schwerer als Holz, weil es ein stärkers Bestreben äußert, sich nach dem Mittelpuncte der Erde zu bewegen. In dieser Bedeutung ist es als ein Nebenwort am üblichsten. 2) Relative, in Beziehung auf die Kraft, welche dieses Bestreben überwinden will, ein starkes Bestreben dieser Art äußernd; im Gegensatze des leicht. Eine schwere Last. Der Stein ist schwer. Das ist mir zu schwer. Ingleichen in Beziehung auf das gewöhnliche Gewicht gewisser Dinge, oder auch auf das leichtere von eben derselben Art. Das schwere Geschütz, das grobe, z.B. Kanonen, Mörser, u.s.f. im Gegensatze der Feldstücke und des kleinen Gewehres. Die schwere Rüstung der Reiterey, Küraß u.s.f. Schwer bewaffnete Reiter, im Gegensatze der leicht bewaffneten. Schweres Geld, welches mehr edles Metall hat, und folglich schwerer ist, als das leichte.

2. Figürlich. 1) Was viele Bemühung, Anstrengung vieler Kräfte erfordert. Einen schweren Kopf haben, wenn man Mühe anwenden muß, etwas zu fassen oder zu begreifen; in Niedersachsen einen harten Kopf haben. Eine schwere Zunge, welche Mühe anwenden muß, wenn sie vernehmlich sprechen will. Ein Mahler hat einen schweren Pinsel, eine schwere Hand, wenn ihm die Führung derselben Mühe macht, und diese Mühe aus dem Gemählde ersichtlich ist. Schwer zu verstehen, zu begreifen, zu glauben, einzusehen u.s.f. Ein schweres Buch, welches schwer zu verstehen ist. Das fällt mir schwer, wird mir schwer, erfordert viel Bemühung. Einem eine Sache schwer machen. Schwer Athem hohlen. Er gehet sehr schwer daran, sehr ungern, es erfordert viele Mühe ihn dazu zu bewegen. Keine Irrthümer sind schwerer zu heben, als die ihren Schutz in dem natürlichen Charakter unsers Geistes finden, Gell. Schwere Zeiten, wo der Unterhalt mit vieler Mühe verbunden ist. 2) Mit unangenehmen Empfindungen verbunden, deren Überwindung Mühe kostet. Wird es dir schwer, einen Meineidigen zu vergessen? Das kommt ihm schwer an, geht ihm schwer ein, er geht schwer daran. Ersparen sie mir ein Bekenntniß, das mir nicht anders als schwer werden wird, Sonnenf. Einem das Herz schwer machen, Empfindungen der Reue, der Wehmuth, des Mitleidens, der Besorgniß in ihm erwecken. Die Trennung ist schwer. Mit schwerem Herzen weggehen, mit bekümmertem. Ehedem hatte man auch das Hauptwort Schwere[1743] und Schwerde, welches Kummer, Gram, Sorge, Noth u.s.f. bedeutete, aber in diesem Verstande längst veraltet ist. Etwas davon ist noch in Beschwerde übrig. 3) In manchen Fällen bezeichnet dieses Wort auch eine Intension, d.i. einen hohen Grad der Sache. Ein schwerer Kampf, ein harter. Eine schwere Krankheit ausstehen. Schwere Sünden, schwere Verbrechen. Eine schwere Strafe verdienen. Die Strafe noch schwerer machen. Die schwere Noth, in der niedrigen Sprechart, die Epilepsie. In allen diesen Fällen wird es nur von Dingen gebraucht, welche als ein Übel betrachtet werden. Allein in der Beredsamkeit des großen Haufens höret man es oft auch von andern Dingen. Eine schwere Menge, eine große Menge. Das hat ihm schweres Geld gekostet, vieles. Ja in manchen Gegenden ist das Nebenwort schwer gar für sehr üblich. Ich werde mich schwer hüthen, für sehr.

Anm. Bey dem Kero suarre, bey dem Ottfried suar, im Angels. swaer, im Nieders. swaar, im Schwed. svår; womit auch ohne Zischlaut und mit einer sehr gewöhnlichen Veränderung des Blaselautes, das Griech. βαρυς, schwer, verwandt ist. Da die Schwere im gewöhnlichen Verstande eine natürliche Folge der Menge der Theile ist, so ist sehr wahrscheinlich, daß dieses Wort ein naher Verwandter von Schwarm und schwärmen ist, S. dieselben. Übrigens ist auch sehr damit verwandt, S. Sehr und Schwert.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 3. Leipzig 1798, S. 1743-1744.
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