Sohle, die

[125] Die Sohle, plur. die -n, ein Wort, welches so wie 1 Sahl sehr vielfacher Bedeutungen nicht nur fähig ist, sondern zum Theil wirklich in denselben gebraucht wird. Es bedeutet:

1. Salzwasser, besonders natürliches, so wie es aus der Erde quillet, in welchem Verstande es besonders in den Salzsiedereyen üblich ist. Das Salz wird aus der Sohle gesotten. Die Sohle geht zu Salz, wenn sich das Salz in derselben körnet oder krystallisiret. Die wilde Sohle, das nach der Krystallisation übrig gebliebene Wasser, S. Mutterlauge. In dieser Bedeutung ist der Plural nur von mehrern Arten oder Quantitäten üblich. Nieders. Söle, Wend. Ssol. Diese Bedeutung ist eine der ältesten und mit Salz, Sal, ἁλς, genau verwandt.

2. Mit dem herrschenden Begriffe der Flüssigkeit, oder auch des Schmutzes, der Unreinigkeit, ist die Sohle bey den Jägern einiger Gegenden, eine Pfüze, ein Sumpf, worin sich das Hirsch- und Schweinwildbret abzukühlen pflegt, wo es zunächst aus Sudel zusammen gezogen zu seyn scheinet, und auch Sohllache, Suhllache lautet. S. Sudel.

3. Mit dem Hauptbegriffe der Ausdehnung in die Breite oder Länge, und als ein Verwandter von Schale ist die Sohle, (1) Bey den Wundärzten, ein langes hohles Werkzeug, worein die zerbrochenen Glieder zur Heilung gelegt werden, wo es aber auch den Begriff der Vertiefung, des hohlen Raumes leidet. (2) Eine Art Plattfische oder Schollen mit einem länglichen und ganz scharfen Körper, welche wegen der Ähnlichkeit ihrer Gestalt auch Zungen genannt werden; Pleuronectes Solea Linn. Franz. Sole, im Niederdeutschen werden sie Scharren genannt.

4. Mit dem herrschenden Begriffe der Tiefe, des Untersten, ohne doch den Begriff der Ausdehnung auszuschließen, ist es noch in sehr vielen einzelnen Fällen gangbar. So wird die horizontale Grundlinie und Grundfläche bey den Marktscheidern, im Bergbaue u.s.f. häufig die Sohle genannt. So ist die Sohle bey den Markscheidern die Grundlinie eines rechtwinkeligen Triangels, im Bergbaue die horizontale Grundfläche eines Stollens. Die steinernen oder eisernen Platten in den Pochwerken, worauf gepocht wird, heißen die Pochsohlen. Bey den Zimmerleuten heißt ein jeder horizontal auf der Erde liegender Balke, so fern er die erste Grundlage zu einer Verbindung gibt, sowohl die Sohle als die Schwelle, welches letztere genau damit verwandt ist; Ital. Soglia. Nieders. Sül. Auch das Latein. Solum war in dieser Bedeutung üblich, Die untere horizontale Fläche an einem Pflughaupte und das eiserne Beschläge derselben führet gleichfalls den Nahmen der Sohle. Bey den Tischlern ist es die untere glatte Fläche des Hobels, welche auch die Bahn genannt wird. Die hornartige Klaue an dem Wildbrete heißt bey den Jägern die Sohle oder Schale, wo es aber auch den Begriff des hohlen Raumes leidet. Eben so ist die Sohle an dem Pferdehufe das dünne Horn zwischen dem untern starken Horne, welches das Hufeisen träget, und dem Strahle, welche auch die Fleischsohle genannt wird, zum Unterschiede von der untern Hornsohle. An dem menschlichen Fuße ist die Sohle oder Fußsohle die untere Fläche des Fußes, worauf man gehet, daher auch derjenige Theil der Kleidungsstücke, welcher diese Fläche bedecket, die Sohle genannt wird. Die Sohle eines Strumpfes,[125] die Strumpfsohle, die Sohle eines Schuhes, die Schuhsohle, welche gemeiniglich von starkem dicken Leder ist, S. Sohlleder. In dieser letztern Bedeutung im Nieders. Sale, im Angels. Sol, im Engl. Sole, im Schwed. Sola, im Ital. Suola, im Span. Suele. Da diese Sohle der Hauptheil des Schuhes ist, ja die ältesten Schuhe fast bloß aus Sohlen bestanden, so führeten ehedem auch manche Arten derselben den Nahmen der Sohlen. Bey dem Ulphilas ist Suljan ein Pantoffel, und in einigen Oberdeutschen Gegenden werden die Pantoffeln noch jetzt Sohlen genannt. Im Franz. ist Soulier ein jeder Schuh.

Die Übereinstimmung mit dem Lat. Solca ist keine Folge der unmittelbaren Abstammung von ersterm, sondern vielmehr des gemeinschaftlichen Ursprunges der Europäischen Sprachen, daher auch die Schreibart Sohle mit einem h untadelhaft ist, weil es nur der Deutschen Sprache eigen ist, vor den Liquidis ein h hergehen zu lassen.

Siehe von allen diesen Bedeutungen des Wortes Sohle 1 Sahl, wo ihre Verwandtschaft ausführlicher gezeiget worden.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 125-126.
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