Spazieren

[173] Spazieren, verb. regul. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert, zur Aufheiterung des Gemüthes langsam gehen, besonders in der frischen Luft, wo es für sich allein alsdann am üblichsten ist, wenn der Ort entweder durch ein Nebenwort oder vermittelst eines Vorwortes ausgedruckt wird. Wir wollen vor das Thor spazieren. Wir sind zwey Stunden auf der Wiese herum spazieret. In dem Garten auf- und ab spazieren. Am häufigsten gebraucht man es mit dem Zeitworte gehen, da denn spazieren im Infinitivo zu stehen kommt; spazieren gehen. Wir sind spazieren gegangen. Figürlich ist spazieren gehen, müßig gehen. In weiterm Verstande gebraucht man es auch mit den Zeitwörtern reiten und fahren; spazieren reiten, spazieren fahren, zum bloßen Vergnügen ausreiten oder ausfahren. So auch das Spazieren.

Anm. Im Ital. spaziare. Es ist aus dem Latein. spatiari, und schon vor langer Zeit in das Deutsche aufgenommen worden.


Darnach begab sich auf ein Zeyt

Das spaciren ging Unfallo,

Theuerd. Kap. 34.


Als ich vor ein Holz spacieret,

Darin gar wunniglich hoffieret

Der vogel schar,

Hans Sachs.


Durch den häufigen Gebrauch ist es jetzt nur noch im gemeinen Leben und höchstens in der vertraulichen Sprechart üblich. Die Pegnitzschäfer suchten dafür lustwandeln und für Spaziergang Lustwandelung einzuführen, welche aber mit ihnen abgestorben sind.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 173.
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