Spille (2), die

[207] 2. Die Spille, plur. die -n, Diminut. das Spillchen, ein in den gemeinen Sprecharten für Spindel sehr gangbares Wort, welches so wie dieses theils den Begriff der Spitze, theils aber auch der Länge und Ründe hat, wozu noch zuweilen der Begriff der Bewegung um die Achse kommt. 1. Mit dem herrschenden Begriffe der Spitze, ist die Spille ein zugespitztes Hölzchen, welches man wie einen Kräusel zwischen den Fingern der rechten Hand herum drehet, darauf zu spinnen; im Hochdeutschen die Spindel. S. Spillmagen. An dem Woll- oder Schweizerrade zum Wollspinnen sind die Spillen ähnliche dünne Hölzchen, worauf die Baumwolle gesponnen wird. Im Jagdwesen sind die Spillen kleine spitzige Pflöcke, das Wachtelgarn damit zu befestigen, daher sie auch Spieße und Pfahlhölzchen heißen. In einigen Gegenden heißen die Ähren, welche gerade in die Höhe stehen, Spillen, und das Zeitwort spillen bedeutet alsdann in die Ähre schossen. Im Engl. ist Spill, ein Zapfen, Nagel, im Ital. Spillo, so wohl eine Stecknadel, als auch der Zapfen an einem Fasse. Die Spille am Leiterwagen, welche quer durch die beyden Arme und durch die Deichsel gehet, um beyde zusammen zu halten, scheinet gleichfalls ein Nagel zu seyn, oder doch ursprünglich gewesen zu seyn. 2. Mit dem Hauptbegriffe der Länge und Ründe ist die Spille in sehr vielen Fällen eine Welle oder Walze, welche, wenn sie groß und dick ist, auch wohl ein Spillbaum genannt wird. So ist die Spille auf den Schiffen eine bewegliche Welle, den Anker damit hinauf zu winden, da denn auch die ganze Maschine, welche eigentlich eine Winde ist, diesen Nahmen führet. In einem andern Verstande sind die Spillen die Stangen auf den Masten, von welchen die Flaggen und Wimpel wehen, wo aber auch der Begriff der Spitze statt findet. Bey den Bergleuten werden diejenigen eisernen Stangen, woran die Kunststangen befestiget sind, Spillen[207] genannt. Ein Knochen des Vorderarmes, welcher einer Radspeiche gleicht, wird sowohl die Speiche als die Spille genannt. Bey den Nadlern heißt der zu den Nadelknöpfen aufgesponnene Draht die Spille, welcher Nahme vermuthlich zunächst demjenigen Drahte zukommt, worauf dieser Knopfdraht gesponnen wird. S. Spillenschneider. Bey den Steinschneidern sind die Spillen kegelförmige Zapfen, welche die Scheibe zum Schneiden tragen. Und so in andern Fällen mehr, in welchen man im Hochdeutschen und in der anständigern Sprechart lieber Spindel gebraucht.

Anm. Es ist nicht aus diesem Spindel zusammen gezogen, sondern ein eigenes aber doch nur im Endlaute verschiedenes Wort. Speiche, Speer, Spier, Spieß, Spitze u.s.f. sind alles Wörter Eines Stammes, in welchen theils der Begriff der Spitze, theils der Länge und Dünne, theils auch der Bewegung um die Achse, und folglich auch der Ründe, der herrschende ist. Spille ist ein Intensivum von Speil, Nieders. Spieler und Spuhle, womit ohne Vorlaut auch Beil, Pfahl, Pfeil, Welle u.s.f. verwandt sind.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 207-208.
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