Spitze, die

[215] Die Spitze, plur. die -n, Diminut. das Spitzchen, Oberd. Spitzlein, derjenige Theil eines Körpers, wo derselbe am Ende in einen Punct zusammen läuft, und in weiterer Bedeutung, wo er sich nur am Ende einem Puncte nähert. 1. Im weitesten Verstande. Die Spitze einer Nadel, eines Messers, eines Degens, eines Thurmes, eines Baumes, eines Berges, der Nase u.s.f. Die Spitzen der Finger, sonst auch, die Fingerkuppen. Eine Messerspitze voll. Etwas auf die Spitze stellen, auch figürlich, eine Sache in den höchsten Grad der Gefahr oder des mißlichen Erfolges setzen, weil ein Körper, der auf der Spitze stehet, keinen Augenblick vor dem Fallen sicher ist. Im Forstwesen werden die Zopfenden der Bäume Spitzen genannt. Von den ehemaligen spitzigen Schlachtordnungen, welche einem zugespitzten Keile glichen, sagt man noch, an der Spitze des Heeres, d.i. vorn, vor dem ersten Gliede; sich vor die Spitze stellen, voran, auch figürlich, sich vor andern der größten Gefahr aussetzen. In andern Fällen verstehet man darunter die Spitze des Degens. Jemanden vor die Spitze fordern, zum Duell. Jemanden die Spitze bieten, figürlich, sich ihm thätig widersetzen, es mit ihm aufnehmen. Da die Spitze oft der oberste und äußerste Theil eines Dinges bedeutet, so wird dieses Wort auch zuweilen für die höchste Stufe, den höchsten Grad gebraucht. Durch dieses Mittel schwang er sich aus dem niedrigsten Elende auf die Spitze der menschlichen Größe; wofür doch Gipfel üblicher ist. 2. In engerer Bedeutung sind die Spitzen ein geklöppeltes Gewirk, welches an dem Einen Rande mit zarten Spitzen oder Zacken versehen ist, von welchen es auch den Nahmen hat, und daher sowohl im Nieders. Kanten, als auch im Französ. Dentelles heißt. Man gebraucht es hier sowohl im Plural collective und absolute; Brabantische Spitzen, mit Spitzen handeln, ein Kleid mit Spitzen besetzen; als auch, obgleich seltener, im Singular, eine feine schöne Spitze. Mit Spitzen handeln, figürlich, im gemeinen Leben, versteckte beißende Vorwürfe machen, oder solche Verweise austheilen, satyrisiren.

Anm. Schon bey dem Willeram Spitzo, im Nieders. Spets, im Schwed. Spets, im Böhm. Sspice. Es ist ein altes sehr weit ausgebreitetes Wort, zu dessen Geschlechte mit andern Endlauten auch Speiche, Spica, Spiculum, Spieß, Speer, Spille, Spindel, u.s.f. gehören. Das tz ist ein Zeichen eines Intensivi. In vielen Oberdeutschen Gegenden ist es männlichen Geschlechts, der Spitz. In einigen Fällen, besonders in einigen Zusammensetzungen, bedeutet es auch so viel wie fein, listig künstlich, z.B. Spitzbube, spitzfindig, in andern aber beißend, einen versteckten Vorwurf enthaltend, wie Spitznahme, spitzige Worte u.s.f. Spitzworte war ehedem für Argutiae sehr gangbar. Ehedem sagte man auch, auf jemanden spitzeln, für sticheln. Allein das Nieders. Spiet, Hohn, Verachtung, gehöret nicht hieher, sondern zu dem gleichfalls Nieders. späh, spey, höhnisch, verächtlich; unser Spott ist davon das Intensivum.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 215.
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