Sprießen

[237] Sprießen, verb. irreg. neutr. welches das Hülfswort seyn erfordert, obgleich das Zeitwort außer der Zusammensetzung in den zusammen gesetzten Zeiten wenig vorkommt; ich sprieße, du sprießest,[237] (Oberd. spreußst), ersprießet, oder sprießt (Oberd. spreußt); Imperf. ich sproß; Mittelw. gesprossen; Imper. sprieße, (Oberd. spreuß). Es bedeutet langsam, nach und nach hervorkommen, eigentlich und zunächst von Gewächsen, in weiterer und figürlicher Bedeutung auch von dem Entstehen und Hervorkommen anderer Dinge. Im Hochdeutschen wird es außer der dichterischen Schreibart wenig gebraucht, indem dafür sprossen üblicher ist, welches sich von sprießen blos in der Mundart unterscheidet.


Hier wandelt sie und Blumen sprießen

Bey jedem leichten Tritt hervor,

Götting. Musen-Alman. 1776.


So auch das Sprießen.

Anm. Es scheinet, daß sprießen, oder einigen Mundarten nach spreißen, ehedem überhaupt eine jede schnelle Bewegung bedeutet habe, da es denn zu reisen, reißen u.s.f. gehören würde. Daz Ouge spreiz uz imi verre, das Auge flog weit heraus, heißt es in dem alten Lobgedichte auf den heil. Anno. Im Niederdeutschen lautet es mit der gewöhnlichen Vertauschung des s und t, sprotten, spruten, Angels. spryttan, Engl. sprout, Holländ. spruyten, Isländ. sprotta. Das Span. brotar, sprossen, und Broton, eine Sprosse, Franz. Brout, ist nahe damit verwandt, S. auch Brosse. Im Schwed. ist spritta, springen, und bey dem Ulphilas sprauto, schnell, hurtig. S. auch Sprossen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 237-238.
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