Stehlen

[328] Stêhlen, verb. irregul. act. ich stehle, du stiehlst, er stiehlt; Imperf. ich stahl, (im gemeinen Leben ich stohl;) Conjunct. ich stähle, (im gemeinen Leben stöhle;) Mittelw. gestohlen: Imperat. stiehl. 1. Im weitesten und allem Ansehen nach ursprünglichen[328] Verstande, etwas in der Stille und mit Heimlichkeit thun, ohne daß es von andern bemerkt werde; in welcher Bedeutung es nur noch in einigen Fällen und Zusammensetzungen üblich ist. Sich heimlich aus einer Gesellschaft wegstehlen, sich aus dem Hause stehlen, sich hinaus stehlen, unbemerkt hinaus schleichen.


Unfalo der vngetrew man

Aus dem schiff sich heimlichen stal,

Theurd. Kap. 43.


Dieß ist ein Sonnenblick,

Der mühsam sich durch eine Wolke stiehlt,

Weiße.


Daher heißt verstohlen noch sehr häufig so viel als heimlich, unbemerkt. 2. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist stehlen, einem andern sein Eingethum heimlich und wider dessen Willen entwenden; durch welche Heimlichkeit es sich von rauben unterscheidet, welches eine offenbare Gewalt voraussetzet. Einem andern etwas stehlen. Geld, Vieh, Menschen stehlen. Es ist mir gestohlen worden. Er stiehlt, wie ein Rabe. Rauben und stehlen.


Wer meinen Ruhm berupft, stiehlt zwar sich selbst nicht reich,

Mich aber stiehlt er arm,

Haged.


Ein Buch aus andern zusammen stehlen, zusammen schreiben, ohne die Verfasser zu nennen. In einigen Fällen verlieret sich das Gehässige, welches die Entwendung des Eigenthumes auf dieses Wort wirft. Jemanden seine Zeit stehlen, ihn unvermerkt um dieselbe bringen. Jacob stahl Laban das Herz. 1 Mos. 31, 20, setzte sich unvermerkt in Labans Gunst. So auch das Stehlen. S. auch Diebstahl.

Anm. Bey dem Ulphilas stilan, bey dem Notker, Ottfried u.s.f. stelan, im Angels. stelan, im Nieders. stelen, im Engl. to steal, im Ißländ. stela, im Schwed. stjäla. Ihre glaubt, daß es mit vorgesetztem st von hehlen, verbergen, gebildet worden, indem stiäla im Schwedischen ehedem für verbergen, gebraucht wurde, auch in mehrern Sprachen stehlen, ungläugbar von hehlen abstammet, wie in Schwed. fola, von fela, bedecken, im Gothischen Hliftus, ein Dieb, von hlifan, bedecken. Allein, da der Begriff der Heimlichkeit diesem Wort so sichtlich anklebet, so ist es glaublicher, daß es ursprünglich den schleichenden Laut einer heimlichen Bewegung nachgeahmet hat, und zugleich das Stammwort von dem Intensivo still ist, S. dasselbe.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 328-329.
Lizenz:
Faksimiles:
328 | 329
Kategorien:
Ähnliche Einträge in anderen Lexika