Stillen

[380] Stillen, verb. regul. act. stille machen, wo es doch nur in einigen eingeschränkten Bedeutungen des Wortes stille gebraucht wird. 1. Eigentlich. (1) In Absicht der Bewegung, die Bewegung hemmen, wo man es nur in der R.A. gebraucht; das Blut stillen, den Fluß des Blutes hemmen, wofür man in einigen Gegenden auch stellen sagt, welches letztere auch im Oberdeutschen von andern Arten der Hemmung der Bewegung üblich ist, S. dasselbe; woraus zugleich die Verwandtschaft nicht nur mit stellen, sondern auch mit stehen erhellet. Die Stillung des Blutes. Thaz bluat firstualti, das Blut wurde gestillt, sagt schon Ottfried, und gleich darauf, tar abstult brunno thes bluates, da hörete der Fluß des Blutes auf; wo es als ein Neutrum, für stille stehen, inne halten, gebraucht wird. Το άἱμά σελλειν, sagten schon die Griechen.

(2) In Absicht des Lautes, des Tones, wo es im eigentlichsten Verstande im Hochdeutschen wenig gewöhnlich ist; aber in einigen Oberdeutschen Gegenden sagt man noch, einen Plauderer, einen Schwätzer stillen, ihn zum Stillschweigen bringen, ihn schweigen heißen. Auch Matth. 28, 14 heißt es noch: wo es würde auskommen bey dem Landpfleger, wollen wir ihn stillen.

2. Figürlich, eine in figürlichem Verstande in Bewegung begriffene Sache hemmen, ihrer Bewegung ein Ende machen, wo doch in manchen Fällen auch der Begriff des Lautes, des Geräusches mit eintritt. (1) Überhaupt, wo es gleichfalls nur in einigen Fällen gangbar ist. Da machte sich der König eilends auf, daß er den Aufruhr stillete, 2 Macc. 4, 31. Daß ich das Murren der Kinder Israel stille, 4 Mos. 17, 5. Sie stilleten kaum das Volk, daß sie ihnen nicht opferten, Apostg. 14, 18. Er stillete das Ungewitter, daß sich die Wellen legten, Ps. 107, 29. Die Gläubiger stillen, sie zum Stillschweigen oder Stillsitzen bringen. Die Schmerzen stillen, aufhören machen. Die biblischen Ausdrücke hingegen, den Zorn stillen, den Zank, den Hader stillen, Nachlassen stillet groß Unglück, Pred. 10, 4, sind wenig mehr gebräuchlich, noch weniger aber, die Seele stillen, Ps. 131, 2, sie ruhig machen. Das Herz stillen, 1 Joh. 3, 19. (2) In einigen engern Bedeutungen. (a) Von Begierden, sie durch Befriedigung aufhören machen. Seinen Durst, seinen Hunger stillen, ihnen durch Speise und Trank ein Ende machen. So auch, die Begierde, die Brunst, seine Neugier, jemandes Verlangen stillen. (b) Ein Kind stillen, von saugenden Kindern, ihm die Brust reichen, eigentlich dessen Durst stillen, daher eine Säugamme, zuweilen eine Stillamme genannt wird. Aber ein stillendes Kind, für ein noch saugendes, noch nicht von der Brust entwöhntes Kind, ist wider die Natur der meisten Mittelwörter auf -end, ob es gleich im gemeinen Leben selbst Obersachsens sehr häufig ist. S. auch die Stillung und das Stillen.

Anm. Bey dem Ottfried gestillan, im Schwed. stilla, im Angels. styllan. S. Still, Stell und Stehen, mit welchem letztern es gleichfalls verwandt ist.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 380.
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