Stinken

[384] Stinken, verb. irregul. Imperf. ich stank, im gemeinen Leben stunk, Conj. stänke, im gem. Leb. stünke. Mittelw. gestunken; Imperat. stink oder stinke. Es kommt in doppelter Gattung vor. I. * Als ein Activum, den Geruch empfinden, riechen; eine längst veraltete Bedeutung. Habent nasa unde ne stinkent, Notker. II. Als ein Neutrum mit dem Hülfsworte haben, einen Geruch von sich geben, riechen, sowohl, 1. * Überhaupt, eine gleichfalls veraltete Bedeutung. Suazu sie thir stinkent, sie riechen dir süß, gut, Ottfr. Als auch, 2. in engerm Verstande, (a) * Wohl, gut riechen, in welcher Bedeutung es gleichfalls veraltet ist. Thiu diuri thera Salba stank in ala halba, die kostbare Salbe roch überall, Ottfr. Stankuuurzo, ist bey dem Willeram wohlriechendes Gewürz. (b) Häßlich, ekelhaft riechen; in welcher Bedeutung es noch allein üblich ist. Das stinkt, ein stinkender Geruch. Nach etwas stinken, nach Käse, nach Knoblauch stinken. Stinkendes Fleisch. Stinkend seyn oder werden. Eine stinkende Lüge, im gemeinen Leben, eine grobe, wofür man in den niedrigen Sprecharten wohl sagt, eine erstunkene. Die biblische Figur, Israel stank vor den Philistern, David stank vor seinem Volke, in Schande, Unehre bey jemanden seyn, ist im Hochdeutschen ungewöhnlich. Doch sagt man noch, seinen Nahmen, sein Andenken stinkend machen. So auch das Stinken.

Anm. In der letzten Bedeutung im Niedersächsischen gleichfalls stinken, im Angels. stincan, stencan, im Engl. to stink, im Schwed. stinka. Das Activum davon ist stänkern. Stinken war, wie aus obigen erhellet, so wie riechen, ehedem ein ganz allgemeiner Ausdruck, S. auch Stank. Da die Empfindung des Geruches nicht in das Gehör fällt, und daher nicht anders als durch eine[384] Figur ausgedruckt werden kann, so scheinet das noch im Schwedischen übliche stinga, stechen, bey dem Ulphilas stiggan, (sprich stingan,) das Stammwort zu seyn, welches sich von unserm stechen nur durch den eingeschobenen Nasenlaut unterscheidet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 384-385.
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