Strafen

[416] Strafen, verb. regul. act. welches 1. * Ursprünglich, körperliche Beschädigung, oder körperliche Schmerzen zufügen, bedeutet zu haben scheinet, in welchem Verstande es aber im Hochdeutschen veraltet ist. Im Schleßwigischen sagt man noch, einen Baum strafen, ihn ausschneiteln, welches noch ein Überbleibsel der ersten ursprünglichen Bedeutung zu seyn scheinet. Von der Zufügung körperlicher Schmerzen überhaupt scheinet es auch noch Luther Es. 53, 7 gebraucht zu haben, da er gestrafet und gemartert ward, thät er seinen Mund nicht auf. 2. In engerer und gewöhnlicherer Bedeutung ist strafen, ein Übel um einer vorher gegangenen unrechtmäßigen oder doch unweisen Handlung willen zufügen, da es denn von allen Arten solcher zugefügten Übel üblich ist. Jemanden strafen, ihn wegen eines Verbrechens, um eines Versehens willen strafen. Jemanden am Leben, am Leibe, an der Ehre, an Gelde strafen; zuweilen sagt man auch, ihn um Geld strafen, welches Vorwort um doch denn am häufigsten ist, wenn die Geldsumme bestimmt wird: jemanden um zehn Thaler, um vier Groschen strafen, wo an nicht gebraucht werden kann. Ein Kind mit der Ruthe strafen. Mit Gefängniß, mit Hunger strafen. Gott strafet die Menschen oft mit Blindheit, mit Feuer, mit Krieg u.s.f. Ingleichen mit der vierten Endung des Verbrechens. Den Ehebruch, den Diebstahl, ein Versehen strafen. Strafe mich Gott! oder Gott soll mich strafen! nämlich, wenn ich nicht die Wahrheit rede, eine in den niedrigen Sprecharten übliche leichtsinnige Betheuerung. 3. Zuweilen bedeutet es auch, jemanden seine Mängel und Gebrechen mit Worten entdecken, ihm einen Verweis geben. Die Menschen wollen sich meinen Geist nicht mehr strafen lassen, 1 Mos. 6, 3. Stumme Hunde sind sie, die nicht strafen können, Es. 56, 10. So dein Bruder an dir sündiget, so strafe ihn, Luc. 17, 3. Herodes wurde vom Johannes gestraft, Kap. 3, 19. Wohin auch die Redensart gehöret, jemanden Lügen strafen, eigentlich der Lügen, ihn beschuldigen, daß er lüge. Bin ich gut genug, daß sie mich ins Gesichte Lügen strafen? Gell. Da es denn in den gemeinen Sprecharten oft für tadeln überhaupt gebraucht wird. Ich finde an der Sache nichts zu strafen. Ich kann ihn deswegen nicht strafen, tadeln. Ich will meine Wege vor ihm strafen, Hiob 13, 15; wo es bey Michaelis heißt: ich will dreist meinen Wandel vor seinem Angesicht bekennen. So auch das Strafen.

Anm. Im Schwed. straffa, Dän. straffe, Holländ. straffen. Es kommt weder bey den ältesten Oberdeutschen Schriftstellern, noch in andern verwandten Sprachen, ausser den schon angeführten vor, scheint aber ursprünglich eine gewaltsame körperliche Behandlung bezeichnet zu haben, und mit streiffen, so fern dieses ehedem auch streichen, peitschen, bedeutete, straff, dem Schwed. sträf, rauh, strenge, den Ital. Intensivis strappare, wippen, und strappazzare, und dem Griech. σρεφειν, verwandt zu seyn. Ohne Zischlaut gehören auch Notkers drepa, tödten, unser treffen, und das Niedersächs. dreffen, schlagen, und drapen, züchtigen dahin. Die dritte Bedeutung des wörtlichen Verweises scheinet keine bloße Figur der vorigen, sondern eine eigene Bedeutung zu seyn, in welcher es mit dem vorgesetzten st aus dem alten bey dem Notker, Ottfried und andern häufigen refsan, mit Worten tadeln, verweisen, schmälen, im Nieders. noch rispen, gebildet worden. Dieses refsan und rispen ist ein Intensivum von einem veralteten refen, welches zu rufen gehörete, und eine Onomatopöie nicht nur der menschlichen Stimme, sondern auch anderer ähnlich lautender Bewegungen war, wie aus reiben, greifen, raffen u.s.f. erhellet. Auf ähnliche Art ist im Lateinischen corripere, verweisen, von [416] rapere, und reprehendere, in eben demselben Verstande, von prehendere.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 416-417.
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