Strahl, der

[418] Der Strahl, des -es, plur. die -en, ein sich in unmerklich schneller Geschwindigkeit in gerader Linie fortbewegendes geradliniges Ding, wo es von verschiedenen einzelnen Dingen dieser Art vorkommt. 1. * Ein Pfeil heißt in allen alten Mundarten und vielen auch nicht nahe verwandten Sprachen, ein Strahl, bey dem Notker Strala, im Angels. Strael, im Schwed. Stråle, im Ital. Strala, im Wend. Strela, im Dalmat. Striila, im Russischen Striela, daher daselbst streliti, schießen, und Streliz, ein Schütze ist. Ein scharpf stral auf demselben lag, auf der Armbrust, Theuerd. Kap. 44.


Und het sein tödtlichen Handtbogn

Mit eim scharpfen stral aufgezogen,

Hans Sachs.


Bald er zeucht seinen scharpfen stral,

Hans Sachs.


In dieser Bedeutung ist es im Hochdeutschen längst veraltet. Daher wird noch figürlich der mittlere Theil in dem Hufe eines Pferdes, wegen seiner Ähnlichkeit mit der Spitze eines Pfeiles der Strahl genannt. Bey andern heißt er die Gabel. 2. Der Blitz, entweder so fern er zuweilen in gerader Richtung fortzuschießen scheinet, oder auch, weil sein äußerstes Ende zuweilen in der Gestalt einer Pfeilspitze erscheinet. Der Blitzstrahl, Donnerstrahl, Wetterstrahl, oder nur Strahl schlechthin, welches letztere doch im Oberdeutschen gangbarer ist, als im Hochdeutschen. In der erstern Mundart sagt man auch Strahlstreich für Blitzstrahl und dessen Einschlagen, Strahlwetter für Donnerwetter u.s.f. Eben daselbst ist es in dieser Bedeutung auch weiblichen Geschlechtes, die Strahl. 3. Ein sich in gerader Linie unglaublich schnell fortbewegender Lichttheil, wo besonders die Theile eines sehr hellen Lichtes unter gewissen Umständen in Gestalt solcher gerader heller Linien gesehen werden, daher dieses Wort auch nur von solchen hellen Lichttheilen üblich ist. Strahlen schießen, werfen, von sich geben. Mit Strahlen umgeben. Der Lichtstrahl, Sonnenstrahl. Die Strahlen der Augen, eines geschliffenen Edelsteines, die von denselben zurück geworfenen Lichtstrahlen. Daher figürlich manche Arten gerader Linien auch unter dem Nahmen der Strahlen bekannt sind. In dem Mineralreiche sind die Strahlen lange schmale gerade Theile, in welchen die kleinsten zusammen gehäuften Theile des Fossils abgesondert sind, und welche ein Mittelding zwischen den Fasern und Blättern ausmachen. S. Strahlig, Strahlglimmer, Strahlgyps u.s.f. Die Zähne eines Kammes heißen in einigen Gegenden gleichfalls Strahlen, daher ein Kamm selbst im Oberdeutschen ein Strähl, und kämmen strählen genannt wird. Im Hannöv. ist Strahle die Staffel in einer Leiter. Besonders werden Strahlen in vielen Fällen die aus einem gemeinschaftlichen Mittelpuncte nach allen Seiten ausgehende gerade Linien genannt, unter welchem Bilde man auch die Sonne vorzustellen pflegt. 4. Ein aus einer engen Öffnung in gerader Linie fortgetriebener[418] flüssiger Körper; der Wasserstrahl. Der Strahl des Wassers in einem Springbrunnen, aus einer Spritze, u.s.f. Nieders. intensive der Strull.

Anm. Im Schwed. Stråle. Das Wort ist eine Onomatopöie eines sich in der größten Geschwindigkeit in gerader Linie fortbewegenden geradlinigen Körpers. In einigen gemeinen Sprecharten ist es in einigen Wörtern ein Zeichen eines Intensivi, für erz; ein Strahlschelm, eine Strahlhere, ein Strahlhure u.s.f. Der Plural lautet Strahlen; allein in Dreystrahl, Fünfstrahl u.s.f. ein mit so vielen Strahlen versehenes Ding, heißt er – strahle, eben so wie man im Plural sagt die Sechsecke, von das Sechseck, und dieß von die Ecke, plur. die -n,

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 418-419.
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