Tagen

[521] Tagen, verb. regul. welches in doppelter Gestalt vorkommt. I. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, Tag werden, von dem Anbrechen des Tages; am häufigsten unpersönlich. So taget es[521] in dem herzen min, Heinr. von Morunge. Alsbald es wird morgen tagen, Theuerd. Kap. 18. Wenns aufgehöret zu tagen, Opitz.


Komm, schöner Morgenstern, komm, komm, und laß es tagen,

Opitz.


Er ging zum Kirchhof hin, und zwar so bald es tagte,

Gellert.


Dann, Göttinn, laß es späte tagen,

Kleist.


In den Thälern tagt es später, als auf den Bergen. Zuweilen, obgleich seltener, und am häufigsten nur bey den Dichtern, auch persönlich. Min vil liebe sunnen diu mir so wunneklichen taget, Heinr. von Morunge, wo es für scheinen, leuchten, zu stehen scheinet.


Diß ist das Licht, das auch in Japan selbst erschien,

Und tagt nun fort und fort bis an Chinea hin.

Opitz.


Die Tage tagen noch, brechen noch an, dauern noch fort, Scultet. So bald der Morgen tagt, Michael. Hiob 24, 27.

II. * Als ein Activum, einen Tag setzen, zu etwas bestimmen, ingleichen auf einen bestimmten Tag vorladen, citiren, eine im Hochdeutschen veraltete Bedeutung. Jemanden tagen, ihn vorladen, citiren. Betagen und vertagen waren ehedem in eben diesem Verstande üblich. Das Mittelwort betagt hat überdieß noch eine andere Bedeutung, S. dasselbe.

Anm. In der ersten Bedeutung schon bey dem Notker tagen, im Nieders. dagen, im Angels. daegian. Die Bedeutung des Leuchtens, Scheinens, ist auch hier, so wie in Tag, vermuthlich die ursprüngliche. Dien ze tagenne, ihnen zu leuchten, zu scheinen, heißt es bey dem Notker. Im Meklenburg bedeutet dagen auch zaudern, sich Zeit nehmen.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 521-522.
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