Theilen

[574] Theilen, verb. regul. act. was in Eines beysammen ist, oder beysammen gedacht wird, absondern, Dinge, welche ein Ganzes ausmachen oder als ein Ganzes gedacht werden, trennen; wo dieses Wort von sehr weiten Umfange der Bedeutung ist, und die Art und Weise der Absonderung oder Trennung völlig unbestimmt läßt. Jeder Körper läßt sich theilen. Ein Stück Holz, ein Stück Brot u.s.f. in drey Theile theilen. Zunächst bedeutet es die Theile eines Dinges körperlich trennen, so daß jeder einen eigenen Raum einnimmt, hernach aber auch jedes Ding, welches als ein Ganzes betrachtet werden kann, in mehrere Ganze absondern, sollte es auch nur in Gedanken seyn. Wenn die Zahl der Theile nicht ausgedruckt wird, so bedeutet theilen für sich allein oft, ein Ganzes in zwey Theile theilen. Ein Brot theilen, in zwey Hälften. Die Beute theilen. Der Feind muß seine Macht theilen. Hier theilet sich der Weg. Eine Erbschaft unter die Erben theilen. Die Einkünfte eines Gutes unter mehrere theilen. Etwas mit jemanden theilen, ihm einen Theil davon abtreten, widerfahren lassen. Gedoppelt glücklich ist der, der sein Glück mit einer Gattinn theilt, Geßn. Die Arbeit mit einem theilen. Sich in etwas theilen, es unter sich vertheilen. Sich in jemandes Vermögen, in eine Arbeit theilen. So auch die Theilung, plur. die -en, die Handlung des Theilens. S. auch Abtheilen, Eintheilen, Vertheilen und Zertheilen.

Anm. Schon im Isidor deilan, bey dem Ulphilas dailan, im Nieders. deelen, im Alt-Fries. talia, im Angels. daelan, im Schwed. dela, im Wend. dejlim, im Böhm. deliti, im Griech. δειλειν. Die nächste Bedeutung, welche in der jetzigen herrschenden zum Grunde liegt, scheinet die des Schneidens zu seyn, da es denn unmittelbar zu dem Schwed. tälja, dem mittlern Lat. talliare, dem Ital. tagliare, und dem Franz. tailler, schneiden, gehören würde; wenn anders diese nicht Unterarten der Hauptbedeutung sind, S. Diehle. Indessen kommen doch bey diesem Worte noch zwey andere gleichfalls ursprüngliche Bedeutungen mit in Betrachtung, welche sich auf ähnliche Onomatopöien verschiedener Sachen gründen. 1. Der Menge, Vielheit, Zahl, Nieders. Tall. Daher ist im Nieders. Tall, nicht nur ein Theil, Antheil, welches sonst auch Deel heißt, sondern auch die Zahl, die Menge, die Höhe, Französ. Taille; daher unser Theil in den Redensarten ein Theil, ein gut Theil, ein großer Theil, so viel als Menge bedeutet. 2. Der Rede, der Sprache, wovon noch viele Beweise vorhanden sind. Zählen bedeutet in erzählen so etwas, ehedem im Nieders. tellen, Engl. tell, welches das Intensivum von theilen ist. Im Schwed. ist Delas auch Streit, Prozeß, und dela, streiten, zanken, Tal, die Klage, und tälja, nicht allein schneiden, sondern auch erzählen und tadeln. Unser ertheilen, Urtheil, und urtheilen scheinen diese Bedeutung noch beybehalten zu haben, obgleich die beyden letztern bequem als Figuren von theilen, dividere, angesehen werden könnten, wenn nicht die weitere Bedeutung des Sprechens erweislich wäre.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 574.
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