Ungestüm

[864] Ungestüm, -er, -ste, adj. et adv. ungewöhnliche Heftigkeit äußernd. Besonders in Ansehung der Bewegung. Das Meer wird plötzlich ungestüm, Hiob 26, 12. Das ungestüme Meer, Ps. 89, 10. Ein ungestümer Wind. Es ist ungestümes Wetter, wenn ein heftiger Wind gehet. Ein ungestümer Mensch, welcher alles mit ungewöhnlicher Heftigkeit verrichtet. Ungestüm um etwas bitten. Ungestüm anklopfen, rufen, schreyen, u.s.f. Gleich einem Strome, den sein Reichthum ungestüm macht, Dusch.

Anm. Schon bey dem Willeram ist Ungestuome, ein heftiges Geräusch. Das einfachere gestüm muß längst veraltet seyn, wenigstens hat es sich bisher noch bey keinem Schriftsteller wollen finden lassen. Dieß macht zugleich die Abstammung ungewiß. Wachter hält das Schwed. stimma, lärmen, toben, Stym, ein tobender Haufe, für das Stammwort, welches mit unserm Stimme verwandt ist, in welchem Falle un eine intensive Bedeutung haben, ungestüm aber eigentlich heftig lärmend und schallend bedeuten würde. Frisch hält das veraltete stüm für einen Verwandten von stumm. Gestüm würde ihm zu Folge still, gelinde, sanft, ungestüm aber dessen Gegensatz bedeutet haben. Indessen hat die erste Ableitung mehr Wahrscheinlichkeit vor sich, besonders, wenn man die verwandten Deutschen stämmen, stampfen u.s.f. mit in Betrachtung ziehet, da denn ungestüm nach dem Muster des Latein. Impetus, impetuosus, gebildet seyn, und eigentlich Heftigkeit im Stoßen bedeuten kann. Die Niederdeutschen gebrauchen dafür unstür, welches eine ähnliche doppelte Ableitung leidet, sowohl von stur, groß, heftig, mit dem intensiven un, als auch von steuern, mäßigen, einschränken, da es denn ungemäßigt, unbändig, bedeuten würde. S. auch Ungethüm, welches noch in einigen Gegenden ein Gespenst bedeutet und gleichfalls mit unserm Worte verwandt ist.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 864.
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