Ungleich

[868] Ungleich, -er, -ste, adj. et adv. welches der Gegensatz von gleich ist, aber nicht in allen Bedeutungen desselben gebraucht wird. Es ist,

I. Ein Bey- und Nebenwort, wo es fast in allen Bedeutungen des gleich demselben entgegen gesetzet werden kann.

1. Nicht gerade. 1) Eigentlich, wo es, obgleich nur selten, auch für krumm gebraucht wird, noch häufiger aber von der Oberfläche für uneben üblich ist, merkliche Erhabenheiten auf der Oberfläche habend. Der Boden ist, sehr ungleich. Ein ungleicher Boden. Was ungleich ist, soll gleich werden, Es. 40, 4. 2) Figürlich. (a) Sich nicht in allen seinen Theilen ähnlich. Das Blut fließet ungleich. Die Uhr geht ungleich. Die ungleiche Ausdünstung der Erde. (b) Dem Rechte der Billigkeit, und in weiterm Verstande, der allgemeinen Menschenliebe nicht gemäß, wo es oft als ein glimpflicher Ausdruck für ungerecht, unbillig, hart, unfreundlich, nachtheilig, gebraucht wird. Ungleich von jemanden urtheilen. Sich ungleichen Urtheilen aussetzen. Etwas ungleich aufnehmen, auslegen, deuten, übel.

2. Nicht einerley Wesen, Beschaffenheit und Umstände habend; wo es in allen den Schattierungen gebraucht wird, in welchen der Gegensatz gleich üblich ist, welches hierbey nachgesehen werden muß, auch so wie dieses, als ein Nebenwort, die dritte Endung der Person erfordert. Zu ungleicher Zeit ankommen. Einem ungleich seyn. In ungleichem Alter stehen, jemanden an Alter ungleich seyn. Ungleiches Maß. Ungleiche Personen, welche sich nicht dem Stande nach gleich sind. Eine ungleiche Ehe, sowohl, wo die Personen sich am Stande, Vermögen, Alter u.s.f. ungleich sind, als auch, wie sie sich aus Mangel der Übereinstimmung der Gemüther nicht für einander schicken. Aus Gehorsam gegen die Ältern wird man oft einer ungleichen Ehe aufgeopfert, Gell. Ein ungleicher Streit, ein ungleiches Gefecht, wo die streitenden Theile einander an Anzahl u.s.f. sehr ungleich sind. Völker, welche sich an Sprachen und Sitten sehr ungleich sind. Eine ungleiche Zahl, welche mehr oder weniger Einheiten hat, als eine andere. In einem andern Verstande ist eine ungleiche Zahl, welche mit 2 dividiret nicht aufgehet; wofür doch ungerade üblicher ist.

II. Als ein Nebenwort allein, wo es nur in der ersten Bedeutung des Gegensatzes gleich gebraucht wird, und auch hier nur im engern Verstande als eine erhöhende Partikel mit den Comparativis, für weit. Paris ist ungleich volkreicher als Berlin. Die Alpen sind ungleich höher als die Apenninen. Eine ungleich schwerere Strafe wartet auf dich.


Denn höre mich nur einmahl an,

Wie ungleich zierlicher ich singen kann,

Willam.


Anm. Bey dem Ottfried ungilih, der auch missilich, mißgleich, in eben demselben Verstande gebraucht.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 868.
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