Verzweifeln

[1190] Verzweifeln, verb. regul. neutr. welches das Hülfswort haben erfordert, ob es gleich im Perfecto und Plusquamperfecto seltener gebraucht wird, alle Hoffnung zu etwas aufgeben, für unmöglich halten. Ich fange nun an zu verzweifeln, daß ich es bekommen werde. Am häufigsten mit dem Nennworte und dem Vorworte an. An etwas verzweifeln. An jemandes Besserung, an seinem Glücke, an Gottes Gnade, an sich selbst verzweifeln. Sie verzweifelten an seinem Leben, 2 Macc. 9, 18; sie gaben alle Hoffnung dazu auf. Im engsten Verstande verzweifelt man, wenn man die Unmöglichkeit der Besserung seines Zustandes auf das lebhafteste empfindet. Verzweifle unter den Martern einer verachteten Liebe! So auch die Verzweifelung, besonders in der letzten engern Bedeutung, der hohe Grad der Unlust über die erkannte Unmöglichkeit der Besserung seines Zustandes. In Verzweifelung fallen, gerathen.

Anm. Ver scheinet hier eine intensive Bedeutung zu haben, so daß verzweifeln den höchsten Grad des Zweifelns bezeichnen würde. Den ältesten Oberdeutschen Schriftstellern scheinet dieses Wort nicht bekannt gewesen zu seyn, indem Kero dafür farwannan, Notker aber für Verzweifelung Ferchunst gebraucht. Aichinger und andere Oberdeutsche Sprachlehrer sagen, man gebrauche dieses Zeitwort mit beyden Hülfswörtern, sowohl mit haben, als mit seyn; allein im Hochdeutschen ist das letztere nicht üblich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1190.
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