Vorgreifen

[1268] Vorgreifen, verb. irregul. neutr. (S. Greifen,) welches das Hülfswort haben erfordert, und nur in einigen figürlichen Bedeutungen gebraucht wird. 1. Einem vorgreifen, etwas eigenmächtig thun, was dem andern zu thun gebührete. Jemanden in seinem Amte vorgreifen, etwas eigenmächtig thun, was doch zu dem Amte des andern gehöret. Man greifet Gott in seinem Urtheile vor, wenn man über Dinge urtheilet, die nur Gott beurtheilen kann und darf. Daher das in den Kanzelleyen so häufige unvorgreiflich. 2. In der Jägerey wird dieses Wort in mehr als einer Bedeutung gebraucht. (a) Der Hirsch hat vorgegriffen, wenn er sich übereilet hat. (b) Ein Gehölz vorläufig durchsuchen, es geschehe nun mit dem Leithunde, oder ohne denselben. Den Leithund vorgreifen lassen. (c) Wenn der Leithund die Fährte verlohren hat, und man läßt ihn selbige wieder suchen und finden, so heißt solches gleichfalls den Leithund vorgreifen lassen. In den beyden letztern Fällen ist dafür auch vorschlagen üblich.

Daher die Vorgreifung in der ersten, und das Vorgreifen in den letztern Bedeutungen. Der Vorgriff wird von einigen gleichfalls in der ersten Bedeutung gebraucht, ob es gleich im Hochdeutschen nur selten gehöret wird.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1268.
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