Vorhaben

[1268] Vorhaben, verb. irregul. act. S. Haben, vor sich haben. 1. Eigentlich, etwas als ein Kleidungsstück vor dem Leibe, besonders vor dem untern Theil des Leibes, haben, doch nur im gemeinen Leben. Eine Schürze vorhaben, damit bekleidet seyn. 2. Figürlich. (1) Jemanden vorhaben, im gemeinen Leben,[1268] ihn vor sich haben, entweder ihm einen Verweis zu geben, oder ihn zu examinieren; in welchem Verstande man auch vornehmen sagt. (2) In weiterer und gewöhnlicherer Bedeutung hat man etwas vor, wenn man eine beschlossene Sache auszuführen sucht, mit den Anstalten zur Ausführung beschäftiget ist; wodurch es sich von vornehmen und vorsetzen unterscheidet, welche auf die bloße Beschließung oder Entschließung gehen. Böses vorhaben, 2 Mos. 10, 10. Der Herr hat gethan, was er vorhatte, Klag. 2, 17. Den Zug, den Nikanor vorhatte, 2 Macc. 8, 12. Nachdem ich vorhatte euch zu schreiben, Br. Jud. v. 3. Etwas wichtiges vorhaben. Eine Reise vorhaben. Die vorhabende Reise, das vorhabende Geschäft, für das Geschäft, welches man vorhat, ist ein Oberdeutscher Sprachfehler, welcher wider den Gebrauch der thätigen Mittelwörter streitet. Zuweilen bedeutet dieses Zeitwort auch überhaupt, im Sinne haben, beschlossen haben, auch von einer künftigen Sache, deren Ausführung noch entfernt ist. Darf ich nicht wissen, was sie mit ihr vorhaben? Gell.; was sie in Ansehung ihrer beschlossen haben? Indessen wird dieses ganze Zeitwort am häufigsten in der vertraulichen Sprechart gebraucht; in der edlern und von wichtigen Dingen kommt es seltener vor. Vor hat hier seine eigenthümliche Bedeutung, sowohl des Ortes, als der Zeit, daher es sehr unschicklich ist, wenn einige Kunstrichter es in dieser letzten Bedeutung fürhaben geschrieben wissen wollen. Obgleich dieses Zeitwort als ein wahres Activum mit der vierten Endung verbunden wird, so ist es doch, so wie haben und seine meisten Zusammensetzungen, im Passivo nicht üblich.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1268-1269.
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