Vorstechen

[1301] Vorstêchen, verb. irregul. (S. Stechen,) welches in doppelter Gestalt vorkommt. 1. Als ein Neutrum, mit dem Hülfsworte haben, wo es doch nur in einigen besondern Bedeutungen gebraucht wird. (1) Man sagt, es steche etwas vor, wenn es vor andern um dasselbe befindlichen oder damit vermischten, verbundenen Dingen mit vorzüglicher Stärke empfunden wird, wo man es am häufigsten von der Empfindung durch das Gesicht gebraucht. Eine Farbe sticht vor, wenn sie stärker, als andere, empfunden wird. Die Grundfarbe sticht vor, wenn sie durch die obere sichtbar wird. Ingleichen figürlich. Der Eigennutz sticht[1301] bey jemanden merklich vor, wenn er selbigen vor andern Neigungen deutlich äußert. (2) In engerm Verstande ist vorstechen zuweilen so viel, als vorragen; daher Goldmann das Maß, um welches ein krummes Glied der Säulenordnung an einem Ende weiter hervor tritt, als an dem andern, die Vorstechung nannte, die also von der Ausladung und Auslaufung noch verschieden ist, obgleich andere alle drey Wörter als gleich bedeutend gebrauchen.

2. Als ein Activum, wo ein Loch vorstechen, oder nur vorstechen überhaupt ist, ein Loch mit einem spitzigen Werkzeuge stechen, um mit einem Faden, einer Nadel u.s.f. nachstechen zu können. In diesem Verstande stechen sich die Lederarbeiter die Löcher in dem Leder vor, welches bey den Schustern mit dem Vorstechorte geschiehet.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1301-1302.
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