Wandeln

[1377] Wandeln, verb. regul. act. et neutr. in welchem der Begriff der Vertauschung und Veränderung der herrschende ist, und welches besonders in folgenden Fällen vorkommt. 1. * Vertauschen; eine nur noch in einigen Oberdeutschen Gegenden gangbare Bedeutung.


Alten Freund für neuen wandeln,

Heißt für Früchte Blumen handeln,

Logau.


In der noch zuweilen im gemeinen Leben üblichen R.A. handeln und wandeln, Handel und Wandel treiben, scheint diese Bedeutung noch übrig zu seyn. 2. * Verändern, überhaupt; im Hochdeutschen gleichfalls veraltet, aber noch im Nieders. wandeln, so wie im Schwed. vandla.


Wie wandeln jene sich

Mit ihren Herrlichkeiten,

Cram.


Wir haben davon, obgleich in einer eingeschränktern Bedeutung, verwandeln. S. dasselbe. Für dieses letztere das veraltete wandeln wieder einführen zu wollen, wie von einigen Neuern geschehen. z.B. wie die Morgenröthe jeden Augenblick die Wolken um sich her wandelt, ist desto weniger zu billigen, da die eingeschränkte Bedeutung, welche verwandeln von wandeln, verändern überhaupt, unterscheidet, eigentlich in dem Vorworte ver lieget, und mit demselben verlohren gehet. 3. * Ersatz thun, ersetzen,[1377] mit dem Accusativ: im Hochdeutschen gleichfalls fremd, und nur noch in einigen Provinzen gangbar. Der Verkäufer soll bey Hauptmängeln das Pferd zu wandeln gehalten seyn, d.i. zu ersetzen, heißt es in einer Braunschweigischen Verordnung. Daher war, eine Sache wandeln, ehedem auch oft so viel, als Strafe dafür geben. 4. Den Ort verändern, oder mit einem andern vertauschen, d.i. gehen, reisen, wandern, so wohl active, mit dem Accusativo des Weges, als auch als ein Neutrum, und in diesem Falle mit dem Hülfsworte haben. (a) Eigentlich; in welcher Bedeutung es noch in der Deutschen Bibel mehrmals vorkommt: stehe auf und wandele, und so in andern Stellen mehr. In einigen Oberdeutschen Gegenden ist es noch für reisen überhaupt gangbar. Im Hochdeutschen ist auch diese Bedeutung eigentlich veraltet, außer daß sie noch in der Dichtkunst beybehalten wird, ohne Zweifel, weil die in dem Baue des Wortes liegende Onomatopöie eine anschauliche Darstellung des mit Leichtigkeit verbundenen Gehens ist. Man sieht die Nymphen da mit grünem Haupthaar unter den Bäumen wandeln, Geßn.


Es wandelt unter Bäumen

Der holde Schlaf mit holdern Träumen,

Utz.


Murner wandelte fort durch dicke cimmerische Nächte

Über Plutons finstre Gefilde,

Zachar.


Was ist der beste Mensch, der auf der Bahn dieses Lebens noch so vorsichtig wandelt? Gell. Da es denn auch wohl figürlich von leblosen Dingen gebraucht wird, für, sich leicht und langsam fortbewegen.


Wenn in dem finstersten Wald ein flimmernder Sonnenblick wandelt,

Zachar.


Und ein wandelndes Jauchzen durchdrang die Pforten des Abgrunds,

Klopst.


Wenn wandeln in dieser und der folgenden Bedeutung als ein Neutrum gebraucht wird, so bekommt es das Hülfswort haben, weil aus allen vorigen Bedeutungen erhellet, daß der Begriff der Thätigkeit mit diesem Worte genau verbunden ist. Wird der Weg beygefüget, und ohne Präposition ausgedruckt, so stehet er im Accusativ: einen Weg wandeln, die Bahn der Tugend wandeln. (b) Figürlich, die Reihe seiner sittlichen Handlungen auf eine gewisse Art einrichten; eigentlich ein Hebraismus, welcher in Luthers Deutschen Bibel häufig vorkommt, und sich aus derselben auch in die Sprache der Theologie und Moral eingeschlichen hat. Vor Gott wandeln, mit Gott wandeln, Gott würdiglich wandeln, in der Wahrheit, im Glauben, in der Hoffnung wandeln, behutsam wandeln, in den Lüsten des Fleisches wandeln, die Wege Gottes wandeln, u.s.f.

So auch das Wandeln. Die Wandlung ist nur in einigen Zusammensetzungen üblich, wie Verwandlung, die Mondswandlung, die Brodwandlung in der römischen Kirche, welche letztere daselbst auch wohl die Wandlung schlechthin genannt wird.

Anm. Bey dem Ottfried und andern alten Schriftstellern uuandelen, im Niederd. gleichfalls wandeln. Die Endung ein verräth ein Iterativum, daher es hier nur auf die Sylbe wand ankommt, und diese ist, allem Ansehen nach, mit der Wurzel in wenden gleich bedeutend, weil doch der Begriff der Veränderung in den meisten Fällen der herrschende ist. Indessen kann es seyn, daß wandeln, gehen, keine Figur von wandeln, verändern, ist, sondern daß wand in beyden nur verschiedene Anwendungen eines und eben desselben Lautes auf mehrere ähnliche Fälle ist, so wie man von Wand, winden u.s.f. gleichfalls annehmen muß. Alsdann wird auch die Verwandschaft des Griechischen βάινειν und Bahn, Bein, mit der Wurzel in wandeln, gehen, nicht mehr fremd scheinen. S. auch Wandern. Die Substantiva, Wandel,[1378] scheinen nicht von dem Verbo mit bloßer Weglassung der Endung des Infinitivi en oder n gebildet, sondern vermittelst ihrer eigenen Ableitungssylbe el, welche ein Ding, Subject bedeutet, unmittelbar von der Wurzel des Verbi, wand, abgeleitet zu seyn.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1377-1379.
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