Weh

[1436] Weh oder Wehe, eine Partikel, welche auf gedoppelte Art gebraucht wird. 1. Als eine Interjection, welches ihre erste und ursprüngliche Bestimmung ist. (1) Als ein natürlicher und thierischer Ausruf eines empfundenen heftigen Schmerzens. Weh! Au Weh! Ach und weh schreyen. In welchem Falle sie nie ein e am Ende bekommt. (2) Ein bevorstehendes oder schon gegenwärtiges Unglück anzukündigen, mit dem Dative der Person; in welcher Bedeutung sie das e am Ende bald bekommt, bald nicht bekommt. Wehe mir Armen! Wehe den Heuchlern! Wehe den Gottlosen! Wehe mir, wehe des nahmenlosen Jammers! Weiße.


Weh dem zerrissenen Staat,

Der Wollen zu Gesetzen, zu Bürgern Frevler hat,

Dusch.


2. Als ein Adverbium, Comparat. weher, Superlat. am wehesten, Schmerzen verursachend, doch nur mit einigen Verbis; bald weh, bald wehe. Am häufigsten mit thun. Es thut mir wehe, es schmerzet mir, sowohl von physischen als moralischen Schmerzen. Wenn dir der Kopf wehe thut, wenn du Kopfschmerzen empfindest. Es that ihm kein Finger wehe. Einem wehe thun, ihm Schmerzen verursachen. Es mag dir wohl weh thun, daß deine Schwester so reich heirathet, es mag dich kränken, Gell. Es thut mir in der Seele weh. Ein Lobspruch, den ich mir nicht zueignen kann, thut mir weher, als ein verdienter Verweis, Gell. Was mir am wehesten thut, ist etc. Im Oberdeutschen gebraucht man es auch noch mit dem Verbis seyn und werden, mit welchen es aber im Hochdeutschen ungewöhnlich ist. Es ist mir wehe, ich befinde mich nicht wohl, es ist mir übel. Es wird mir wehe, übel. Ingleichen figürlich, es ist ihm weh darnach, er sehnet sich darnach.

Anm. Die Interjection lautet schon von den ältesten Zeiten an we, bey dem Ulphilas vai, im Wallisischen gwae, im Angelsächsischen wa, we, im Englischen wo, woe, im Lat. vae, im Griech. ουάι, u.s.f. daher man sie, so wie ach! o! und andere ähnliche immer für einen Naturlaut halten kann.

Quelle:
Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4. Leipzig 1801, S. 1436.
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